Boeses Spiel in Oxford
gut?«
Der liebe George.
»Es war ein ziemlicher Schock«, sagte sie.
»Soll ich kommen? Oder möchtest du vielleicht lieber zu mir kommen?« Er brach ab und beide überdachten, was George da gerade gesagt hatte. Kate verspürte das geradezu überwältigende Bedürfnis, sich irgendwo anlehnen zu dürfen – ihre Ängste und Probleme zu nehmen und sie einem großen, starken Mann zu übergeben, der alles für sie erledigte und ihr das Gefühl nahm, die Welt um sie herum läge in Scherben.
»Dein Angebot ist sehr freundlich«, erwiderte sie vorsichtig.
»Aber du wirst es ablehnen«, sagte George.
»Wenn ich es nicht tue …«
»Genau das hatte ich gehofft.«
»Nein, ich meine, wenn ich es nicht tue und mich von anderen abhängig mache, fällt es mir zunehmend schwer, selbst stark und eigenständig zu sein.«
George lachte.
»Ehrlich gesagt habe ich nicht den Eindruck, dass du zu sehr klammerst.«
»Aber die Versuchung war da«, behauptete Kate.
»Mein Angebot bleibt bestehen«, sagte George und legte auf.
Kate nippte an ihrem Whisky und fragte sich, ob sie richtig gehandelt hatte. Es war schwer genug gewesen, sich von George zu trennen; sie verspürte kein Bedürfnis, so etwas ein zweites Mal durchzumachen. Wer sagt denn , dass du dich trennen musst , flüsterte die Stimme der Versuchung. Natürlich könnte sie ihn anrufen und einladen, über Nacht bei ihr zu bleiben. Da die gegenseitige Anziehungskraft nicht nachgelassen hatte, würden sie schon bald wieder den Punkt erreichen, an dem sie aufgehört hatten.
Einige Zeit später, als der Whisky längst angefangen hatte, in ihrem Körper zu kreisen, klingelte das Telefon erneut. Sie ließ es läuten. War es etwa wieder George? Und war sie selbst in der Verfassung, kühl und entschlossen zu bleiben? Eher nicht. Das Telefon klingelte weiter.
Irgendwann meldete sich der Anrufbeantworter, und Kate hörte die Stimme ihrer Mutter.
»Kate? Hier ist Roz. Geht es dir gut?«
Kate nahm den Hörer ab. »Natürlich.« Dann sah sie, wie ihre Hände zitterten. »Na ja, wie man es nimmt.«
»Pack doch einfach eine Tasche und komm her.«
»Ich bin doch gerade erst aus den Ferien zurück. Ich will nicht schon wieder weg.«
»Soll ich zu dir kommen?«
»Wir könnten zusammen diesen ausgesprochen köstlichen Whisky genießen.«
»In zehn Minuten bin ich bei dir.«
Aber nur, wenn du alle Geschwindigkeitsbeschränkungen ignorierst, Mutter, dachte Kate, während sie den Hörer auflegte. Allerdings schienen sämtliche verfügbaren Polizisten in der Agatha Street Dienst zu schieben; wahrscheinlich war im restlichen Oxford kaum noch ausreichendes Personal unterwegs, um solche Vergehen zu ahnden.
Kaum zwei Minuten später klingelte es. Um es in dieser Zeit zu schaffen, hätte Roz schon einen vorüberfliegenden Hubschrauber kapern müssen.
Vorsichtig öffnete Kate die Tür einen kleinen Spalt und spähte nach draußen.
»Jeremy!«
»Darf ich reinkommen?«
Kate öffnete die Tür ein Stück weiter. Jeremy schlängelte sich seitwärts ins Haus, wie ein Gangster in einem schlechten Film. Kate ließ die Tür hinter ihm ins Schloss fallen.
»Ich muss dringend mit Ihnen reden. Sind Sie allein?«, fragte er, während er ihr die Treppe hinauf folgte. Auf jeden Fall hatte er es geschafft, ihre sentimentale Anwandlung von vorhin zu vertreiben. Kate versuchte, nicht mehr an George zu denken, was ihr allerdings nur teilweise gelang.
»Ich bin allein. Möchten Sie einen Whisky?«
»Ja bitte.« Es klang, als hätte man einem Ertrinkenden eine Rettungsweste angeboten.
Kate reichte ihm ein Glas. Jeremy sah furchtbar aus. Sein Haar stand auf einer Seite hoch, als wäre er sich mit den Fingern durch den Schopf gefahren. Unter seinen geröteten Augen zeichneten sich tiefe Ringe ab, und sein Gesicht war so bleich, dass es fast grau wirkte. Er hatte sich nicht sorgfältig rasiert, und seine Kleider sahen aus, als hätte er sie wieder aus dem Wäschekorb geholt. Die Aussicht, den ganzen Abend mit einem derart reizlosen Mann zu verbringen, gefiel Kate ganz und gar nicht.
»In ein paar Minuten erwarte ich meine Mutter«, sagte sie.
»Roz? Oh, Scheiße!«
Bei diesem Kraftausdruck hob Kate die Augenbrauen. »Ich dachte, Sie hätten sich ganz gut verstanden.«
»Das ist auch der Fall. Ich hatte nur gehofft, Sie allein sprechen zu können.«
»Ich habe mir Ihre Nachrichten auf dem Anrufbeantworter angehört«, entgegnete Kate trocken. »Was zum Teufel haben Sie gemeint? Ich habe von der
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