Boeses Spiel in Oxford
doch zurückkommen. Was ist mit Ihrer Arbeit?«
»Mir wird schon etwas einfallen.«
»Melden Sie sich mal?«
»Vielleicht.« Er zog etwas aus der Tasche und drückte es Kate in die Hand.
»Camillas Schlüssel?«, fragte sie.
»Ja. Danke, dass ich dort bleiben durfte. Geben Sie meinen Dank bitte auch an Ihre Freundin weiter. Wahrscheinlich haben Sie mir mit Ihrer Großzügigkeit das Leben gerettet.«
Er schulterte den Rucksack und drängte sich auf dem gleichen Weg wie die beiden Mädchen durch die Menge. Kurz bevor er die Tür erreichte, drehte er sich noch einmal zu Kate um.
»Vielleicht sollten Sie den hier auch an sich nehmen.« Er hielt ihr einen weiteren Schlüssel hin. Sie blickte ihn fragend an. »Es ist der Schlüssel zu meinem Haus. Meine Zimmerpflanzen müssen inzwischen völlig vertrocknet sein. Würden Sie sie bitte ab und zu gießen?«
Kate fiel ein, wie besorgt er sich über Lauras Azalee geäußert hatte, und freute sich, dass es tatsächlich etwas außer seiner eigenen Person gab, was Jeremy am Herzen lag.
»Keine Sorge«, sagte sie und nahm den Schlüssel. »Ich werde Ihre Pflanzen behandeln, als wären es meine eigenen.«
Jeremy lächelte leise. »Das befürchte ich auch!«
Hinter ihnen stauten sich Gäste, die das Lokal ebenfalls verlassen wollten. Kate und Jeremy gingen weiter. Draußen auf dem Bürgersteig verabschiedete sich Jeremy. »Ich gehe jetzt. Auf Wiedersehen, Kate.« Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in Richtung Parks Road. Der Feiste in der Motorradkombi schubste Kate rücksichtslos beiseite, blieb dann aber stehen und sah sich um. Bestimmt fragt er sich, wo die beiden Mädchen hingegangen sind, dachte Kate, während sein breiter Rücken in der Menge verschwand.
Jeremy wartete, bis er sich außerhalb von Kates Sichtweite befand, ehe er sich in eine Einfahrt drückte und schaute, ob ihm jemand folgte. Selbst in einiger Entfernung vom Volksfest war noch jede Menge Betrieb auf den Straßen. Gruppen junger Leute schlenderten vorbei. In ihrer dunklen Kleidung waren sie in den dunkleren Abschnitten zwischen den einzelnen Straßenlaternen kaum zu sehen. Von seinem Zufluchtsort aus konnte er sie zwar kichern und kreischen hören, doch er erkannte keine der Stimmen. Aber wusste er überhaupt, nach wem er Ausschau hielt? Den gepiercten Motorradfahrer in der schwarzen Lederkombi hatte er nicht gekannt, und doch war er ihm vorgekommen wie eine Gestalt aus einem jener Albträume, in denen man von einem gesichtslosen Killer durch die langen, düsteren Korridore eines verlassenen Gebäudes gejagt wurde. Himmel – diese Art von Gedanke war wahrhaftig eher der lebhaften Fantasie der guten Kate Ivory würdig.
Nach etwa fünf Minuten schlüpfte Jeremy aus der Einfahrt und trat durch das Tor hinaus auf die Straße. Er drückte sich so weit wie möglich von den Lichtkegeln der Straßenlaternen entfernt an Mauern entlang. Seinen Mietwagen hatte er in der Mansfield Road geparkt.
Er würde mit dem Mann verhandeln müssen, dachte er, während er es sich auf dem Fahrersitz bequem machte. Wenn er erklärte, dass er nicht weiter in die Sache verwickelt werden wollte, dass ihm inzwischen alles viel zu weit ging und dass es reiner Zufall war, dass die Fosters etwas erfahren hatten, würde der Mann ihn sicher verstehen. Immerhin hatte er sehr distinguiert gewirkt, als sie sich damals in Brüssel im Hotel getroffen hatten. Der Plan war eigentlich ganz einfach gewesen. Jeremy verfügte bereits über die nötigen Kontakte und flog oft nach Frankreich, um sich mit den entsprechenden Leuten zu treffen.
Dann war es zu dieser Begegnung in einem Café in Bordeaux gekommen. Er hatte vor einer Tasse mit erkaltendem Kaffee gesessen und darauf gewartet, dass der Franzose endlich kam und ihm den Datenträger übergab. Irgendwie war es ihm vorgekommen, als wären alle Augen auf ihn gerichtet und jedermann würde sich fragen, was er dort eigentlich tat. Am Ende war jedoch alles glattgegangen. Jemand, der gern Dramen und Fernsehkrimis sah, hätte die ganze Geschichte vermutlich als absolut banal abgetan. Doch das Geld, das Jeremy für seinen Auftrag erhalten hatte, war ihm gerade recht gekommen. Für den Januar 2002 hatte man ihm eine Sonderzahlung in Aussicht gestellt, weil sich ab diesem Zeitpunkt alle Investitionen bezahlt machen würden. Unter den jetzigen Umständen würde er irgendeinen Weg finden müssen, die bereits erhaltenen Beträge zurückzuzahlen – natürlich nicht alles! –, aber
Weitere Kostenlose Bücher