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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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gehen.«
    Sie zögerte. »Mehr wollen Sie nicht wissen?«
    Ich hätte sie gerne gefragt, wo sie sich mit Pierre Brück traf. In einem verschwiegenen Appartement? Oder in kleinen Hotels
     in Metz oder Saarbrücken? Ich konnte es mir gut vorstellen. Sie wartete sicher auf ihn. Nackt, damit es schneller ging. Der
     Bürgermeister musste anschließend nach Hause. Lotte wartete auch – mit dem Abendessen.
    In Schauren warteten alle auf ihn.
    Pierre Brück telefonierte, als ich eintrat. Er beendete das Gespräch abrupt.
    »Und?«
    »Ich weiß Bescheid.«
    Das schien ihn zu erstaunen. »Ist das nicht eine Unverschämtheit? Das Feldtelefon des Marschalls.« Er wurde pathetisch. »Nicht
     mal die Deutschen haben es angerührt.«
    Ich nahm unaufgefordert Platz. »Das Fenster hat jemand aus dem Rathaus eingeschlagen.«
    Brück zog eine Augenbraue hoch. Er war plötzlich sehr präsent. Ich hatte ihn herausgefordert, ihn, den großen Pierre Brück.
    »Wenn ein Einbrecher ein Fenster eindrückt, fliegen alle Scherben nach innen. Draußen auf der Kellertreppe liegen aber mehr
     Scherben als im Keller. Das wollte jemand ganz gründlich machen. Und die Scherben sind nicht zertreten. Im Übrigen ist das
     Fenster vielleicht groß genug für Madame Chariot mit ihrer Modellfigur. Ein Einbrecher aber würde den Weg durch das Fenster
     der Kellertür nehmen. Da passt auch ein Mann durch.«
    »Und wenn es Kinder waren?«
    Was wollten Kinder mit dem Telefon von Marschall Pétain? Ich schwieg dazu.
    |109| »Sie finden also, Claire Chariot hat eine Modellfigur? Ist Ihnen aufgefallen, dass sie keinen Busen hat?«
    Auch dazu hatte ich nichts zu sagen.
    »Aber Sie haben recht – für ihr Alter ist Claire noch gut beisammen.«
    Brück sprang auf und ging zum Fenster. Er drückte den Rücken durch und ächzte.
    »Ach, Bollinger, Sie haben ja keine Ahnung, womit ich mich rumschlagen muss. Ich würde sofort mit Ihnen tauschen.«
    Das war etwas vollmundig. »Wir haben momentan sehr viel um die Ohren. Sie wissen, der Mordfall auf dem Wackesberg ...«
    Brück massierte sich mit beiden Händen die Schläfen.
    »Bollinger, bitte hören Sie endlich damit auf! Das war kein Mord.« Bevor ich widersprechen konnte, wandte er sich ruckartig
     um. »Wir hatten doch am Wochenende unseren jährlichen Maria-Geburts-Markt. Das Rathaus war voller Leute. Im Foyer gab es einen
     Dritte-Welt-Stand unserer katholischen Jugend. Ein grässliches Durcheinander. Dabei muss es passiert sein.«
    »Was?«
    »Der Diebstahl. Jemand hat das Telefon vom Marschall Pétain mitgehen lassen. Wissen Sie, was das heißt? Das ist eine Reliquie.
     Wenn unser Museum erst eröffnet ist, kommen sie in Scharen aus dem ganzen Land hierher.« Er breitete die Arme aus. »Aber das
     Telefon ist weg.« Er drohte mit dem ausgestreckten Zeigefinger. »Wenn ich den Halunken in die Finger bekomme! Wir machen uns
     zum Gespött des gesamten Landes. Lassen uns bei einem Flohmarkt unser Heiligtum stehlen.«
    »Haben Ihre Mitarbeiter deshalb den Einbruch vorgetäuscht?« Der Bürgermeister ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Sie wollten
     bloß davon ablenken, dass es während des Markts passiert ist. Bedenken Sie die Blamage: Schauren lässt sich am helllichten
     Tag Pétains Telefon stehlen ... Ich wusste ja nicht, dass Sie so gerissen sind, Bollinger.«
    Aus dem Munde von Pierre Brück musste das was heißen. »Wenn ich reingelegt werden soll, werde ich misstrauisch.«
    |110| Der Bürgermeister schaute flehend nach oben. »Aber wir wollten Sie doch nicht reinlegen, Herr Bollinger. Bitte, bitte – helfen
     Sie mir! Finden Sie das Telefon von Pétain wieder! Wir wollten nur verhindern, dass ganz Frankreich über uns lacht.« Und dann
     sofort wieder im Befehlston: »Wir müssen die Sache geheim halten! Nichts darf nach außen dringen.«
    Mir passte die Sache nicht in den Kram. Ein Diebstahl auf einer öffentlichen Veranstaltung, zu der das ganze Dorf Zutritt
     hatte – das würde eine endlose Untersuchung geben.
    »So leid es mir tut – ich habe momentan genug mit dem Wackesberg-Fall zu tun, monsieur le maire .«
    Brück sprang auf. Er lief fauchend umher.
    »Vergessen Sie endlich diesen Quatsch! Es schadet nur dem Geschäft, wenn Sie da weiter rumschnüffeln. Hängen Sie sich lieber
     mit ganzer Kraft in den Pétain-Fall rein! Wenn Sie mir da helfen – das wird Ihnen Schauren nie vergessen. Wenn Sie hingegen
     diese angebliche Mordgeschichte weiter aufblasen – so wird man Ihnen das hier schwer

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