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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Pierre
     Brück auf ihr Elend aufmerksam wurde. Der Bürgermeister hat sie gerettet.«
    »Warum?«
    Louis tat erstaunt. »Weil er seine Herde zusammenhält. Das wissen Sie doch.«
    Ich winkte ab. »Erzählen Sie mir nichts, Louis!«
    |116| Straßer zog die Brauen hoch. »Warum sonst?«
    »Weil sein Blick auf Claire Chariot gefallen ist.«
    »Na ja, so toll ist die nicht. Wo der Bürgermeister doch seine Lotte zu Hause hat.«
    Meine Kehle war trocken, als ich es sagte: »Die genügt ihm aber nicht.«
    Louis seufzte. »Sie kennen doch dieses Kennedy-Syndrom. Männer, die Verantwortung tragen, brauchen einen Ausgleich – sonst
     gehen sie daran kaputt. Und Claire Chariot – die ist richtig aufgeblüht, seit sie im Rathaus arbeitet.«
    »Was glauben Sie, wo die beiden es tun?«
    »Was?«
    »Na was wohl, Louis?«
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Sie könnten mir helfen. Ich müsste mal allein und in Ruhe mit Claire Chariot reden. Ohne dass Pierre Brück dazwischenfunkt.
     Ich kann ja schlecht bei ihr zu Hause klingeln, oder?«
    Louis’ Augen hellten sich auf. »Sie sind doch nicht etwa scharf auf Claire?«
    »Ich bitte Sie, Louis!«
    »Also doch! Sie wissen, ich würde nie etwas gegen die Interessen des Bürgermeisters tun. Aber wenn es um Frauengeschichten
     geht – da bin ich Kavalier. Ich habe da was läuten hören. Sie treffen sich öfter in einem routiers , an der Straße nach St. Avold. Unscheinbarer Laden. ›Les deux nièces‹.«
    »Ist das ein Bordell?«
    » Mais, patron! Es geht um die Gattin unseres Arztes und den Bürgermeister. Nein, es ist ein kleines Hotel für Fernfahrer und ein ganz anständiges
     Restaurant. Die sauren Nieren dort sind legendär.«
     
    I ch bestellte also die Nieren. Das Essen kam, als Madame Chariot das Lokal betrat. Sie begrüßte die Chefin des »Les deux nièces«
     und die Kellnerin mit Wangenkuss und nahm dann an der Theke |117| Platz. Sie schlug die Beine übereinander, steckte sich eine Zigarette an und trank einen Pernod.
    Ich aß von den Nieren. Sie waren nicht nach meinem Geschmack. Zu sauer. Eigentlich mag ich gar keine Innereien. Ich trank
     meinen Wein, dann stand ich auf und ging zum Tresen. Sie erschrak, als sie mich entdeckte.
    »Monsieur Bollinger, was machen Sie denn hier?«
    »Ich habe auf Sie gewartet.«
    »Auf mich?« Sie drückte die Zigarette aus und trank ihr Glas leer. »Ich muss aber schnell weg. Ich habe nur hier Station gemacht,
     um ...«
    »Ich weiß: Sie sind mit Pierre Brück verabredet.«
    Sie fixierte mich mit kalten Augen. Am liebsten hätte sie mich geohrfeigt.
    »Na und?«
    »Ich weiß, dass Sie sich hier regelmäßig treffen. Sie essen zusammen. Dann zahlen sie und gehen. Aber sie kommen durch die
     Hintertür, von den anderen Gästen unbemerkt, wieder herein und gehen nach oben. Aufs Zimmer.«
    Ihre Augen wurden ganz klein. »Wenn Pierre kommt, werden Sie Ihr blaues Wunder erleben.«
    »Was sagt Dr. Chariot denn dazu?«
    Sie steckte sich eine neue Zigarette an und bestellte mit einer knappen Geste ein weiteres Glas Pernod.
    »Dem ist es egal. Der kennt nur seine Arbeit.«
    »Madame Brück denkt aber sicher anders darüber.«
    »Sie sollen sie ja ganz gut kennen, wie man hört«, sagte sie spitz. Ich überhörte es.
    »Wenn Lotte Brück erfährt, was hier geschieht, dann macht sie ihrem Gatten die Hölle heiß.«
    Sie lachte mich aus. »Das wäre nicht das erste Mal.«
    »Was tun Sie eigentlich den ganzen Tag?«
    Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Das wissen Sie doch: Ich baue das neue Heimatmuseum auf.«
    »Mit dem Telefon von Marschall Pétain?«
    |118| »Das ist nur ein Exponat. Ich habe bereits 160 andere zusammengesucht. Ich fahre fast täglich mit dem Rad herum. Durchstöbere
     alte Scheunen, schaue mir Nachlässe an, verhandele mit geldgierigen Bauern, hole Dokumente aus den staubigen Archiven der
     Gegend. Ich kann Ihnen sagen, das ist eine Heidenarbeit. Alles muss katalogisiert und kommentiert werden. Ich habe kaum Geld
     zur Verfügung. Ich muss die Menschen überzeugen, dass sie etwas für die Allgemeinheit tun, wenn sie ihren Besitz einbringen.«
    Ihre Wangen glühten, sie schien den Ärger darüber vergessen zu haben, dass ich sie im »Les deux nièces« in flagranti erwischt
     hatte.
    »Eine schöne Arbeit, was?«
    Sie fixierte mich. »Ja, ich war noch nie so glücklich.«
    »Seinetwegen?«, frage ich und schaute durch den Wintergarten auf den matschigen Parkplatz an der Route Nationale. Der Mercedes
     von Pierre Brück fuhr

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