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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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nicht weiterkamen.
    »Also – unterstützen Sie mich, oder soll ich zum Richter gehen?«
    |183| »Herr Bollinger, ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber es geht nicht.«
    Langsam verlor ich die Geduld mit dem Mann. »Warum denn nicht? Die Dinge liegen doch auf der Hand.«
    »Es geht nicht, weil es in Frankreich keinen § 372 ZPA gibt.« Das ist der Paragraf, der es in Deutschland erlaubt, jemanden
     zu einer Blut- oder DNA-Probe zu verpflichten. »Es gibt diese Regelung nur in Ihrer Heimat, Herr Bollinger. Das sollten Sie
     eigentlich wissen. Im übrigen Europa ist dies nicht erlaubt.«
    »Aber ich kann doch ... ich meine, in einem Mordfall muss man doch ...«
    Die Stimme des Staatsanwalts wurde tiefer und bedeutender. »Nur zu Ihrer Information: Der Cour d’appel de Paris hat am 24.11.1981 unmissverständlich festgelegt, dass es nicht erlaubt ist.«
    »Aber wenn sich jemand weigert, dann ...«
    »Dann ist der Richter verpflichtet, daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber Herr Bollinger, im Ernst,
     welche Schlussfolgerungen für Ihren Toten auf dem Wackesberg wollen Sie denn aus der Weigerung dieser drei Herren ...«
    ». .. Hagenau. Das sind ganz verkommene Subjekte, monsieur le procureur .«
    ». .. welche Schlussfolgerungen wollen sie denn aus der Weigerung dieser Hagenaus ziehen, eine DNA-Probe abzuliefern?«
    Jetzt schwieg ich – und ich hatte nicht mal einen Kugelschreiber zur Hand, um damit auf die Tischplatte zu klopfen.
    »Ich glaube, damit können wir diese Angelegenheit zu den Akten legen, Herr Bollinger, oder?«
    »Aber ich bin mir sicher ... es war Mord.«
    »Sind wir uns das nicht oft? Und was kommt vor Gericht dabei heraus? Sie haben doch sicher vom Fall Pascal gehört? Uns hier
     beschäftigt dieser Skandal ebenso wie die deutschen Kollegen.«
    Der kleine Junge Pascal sollte in einer Saarbrücker Gaststätte |184| von den Gästen und der Wirtin mehrmals missbraucht und dann ermordet worden sein. Da jede Spur von der Leiche fehlte, zog
     sich der Prozess über Jahre hin. Obwohl es sogar Geständnisse der Angeklagten gab – die aber immer wieder zurückgezogen wurden.
     Jetzt war ein Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt, aber die Sache ging vor einer höheren Instanz in die nächste Runde.
    »Das hier ist kein Fall Pascal«, sagte ich entschlossen. »Wir haben eine Leiche ...«
    »Aber Sie wissen nicht, wer die Leiche ist, Bollinger.«
    Dann fiel mir etwas ein. Wenn es sich bei unserer Leiche um den Humpel-Jean handelte, wer lag dann in dem Grab in Niederbronn-les-Bains?
     Wenn wir die Leiche ausgruben und sich herausstellte, dass es der Humpel-Jean war, war meine Annahme hinfällig. Wenn etwas
     nicht verifizierbar ist, wenn man also nicht beweisen kann, dass es so ist, wie man annimmt, so sollte man versuchen zu beweisen,
     dass es nicht so ist, denn das ist einfacher – und wissenschaftlich seriöser.
    »Dann lassen Sie mich das Grab öffnen, in dem schon seit Jahren der Mann liegen soll, von dem ich glaube, dass er vor knapp
     drei Wochen auf dem Wackesberg erhängt worden ist.«
    »Warum das denn?«
    »Wenn in diesem Grab ein anderer liegt – dann müssten Sie meinen Fall anders bewerten, oder?«
    »Na ja, da könnten Sie recht haben, Bollinger.«
    »Also – bekomme ich die Erlaubnis?«
    In Frankreich kann eine juristisch notwendige Exhumierung durch den Staatsanwalt oder durch einen Richter veranlasst werden.
    »Wissen Sie, was das heißt, Bollinger?«
    »Ja. Ich brauche eine Genehmigung des Friedhofträgers, also der Kommune von Niederbronn-les-Bains, und ich brauche einen Arzt,
     der bescheinigt, dass die sanitärmedizinischen Vorschriften eingehalten werden. Glauben Sie mir, ich werde Ihnen beides beschaffen!«
    |185| »Absperren müssen Sie auch. Und ein Protokoll muss verfertigt werden.«
    »Dazu habe ich zwei sehr fähige Kollegen.«
    »Wie lange ist denn der Mann schon dort begraben?«
    »Wenn er es ist – sechzig Jahre.«
    Der Staatsanwalt lachte; er konnte seine Erleichterung nicht verbergen. »Dann ist das Grab doch längst eingeebnet.«
    »Nein, es handelt sich um ein Soldatengrab. Die werden nicht eingeebnet.«
    Ich wollte ihm nicht gleich auf die Nase binden, dass das Grab, das ich öffnen wollte, offiziell nicht das Grab von Jean Hagenau,
     sondern das des Wehrmachtsangehörigen Lothar Wilhelm aus Pirmasens war. Mein siebter Sinn sagte mir, dass es besser war, damit
     noch zu warten, wenn ich die Sache nicht verderben wollte.
    Der Staatsanwalt

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