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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Teufel tun und seinen Staatsanwalt anweisen, gegen die französischen Gesetze zu verstoßen, Bollinger.«
    Er ließ mich los. Ich blickte zu Boden. Mir war das Ganze peinlich. Dass er mich schon wieder abwies! Ich schätzte ihn sehr.
     Er war der klügste Mensch, den ich kannte. Er hatte mir schon oft geholfen. Aber ich wusste auch, dass er Schwächen hatte.
     Er war von Kollegen aus der Polizeischule nachts öfter am Saarbrücker Hauptbahnhof gesehen worden. Angeblich mit jungen Männern.
     Nie hat jemand beobachtet, dass er einen von diesen Kerlen in seinem Auto mitnahm. Aber das Gerücht bekam immer wieder neue
     Nahrung. Deshalb durfte er mich nicht so behandeln. Er war auch nur ein Mensch, und ich wollte bloß, dass er mir half, wenn
     meine Mittel versagten.
    Ich verabschiedete mich. Er wirkte traurig, als er mir die Hand gab.
    »Schauen Sie mal wieder rein, Bollinger! Vielleicht zum Essen. Wir trinken einen guten Roten und reden über die Polizeiarbeit.
     Aber geben Sie diese Schnapsidee mit dem Erhängten auf!«
    »Vielleicht werde ich das wirklich tun«, sagte ich.
    Ich meinte es ernst. Ein Mann musste wissen, wann es Zeit wurde, sich aus einer verfahrenen Angelegenheit zurückzuziehen.
     Egal, wie wichtig sie ihm war.
    Er brachte mich zur Tür, wo er wartete, bis ich die Gartenpforte hinter mir geschlossen hatte. Dann erst ging er ins Haus
     zurück.
    Ich stieg in den Wagen. Ich hätte heulen können. Warum wollte mir keiner helfen? War ich wirklich auf dem Holzweg? Oder wollten
     sie sich nicht mit mir gemein machen – die Santinis und Dr. Backese dieser Welt?
    Vielleicht hatte sich der Humpel-Jean auch so gefühlt, als er auf dem Wackesberg seinen Kopf in die Schlinge gesteckt hatte. |191| Oder als ihm jemand die Schlinge umgelegt hatte. Oder als die SS ihn über die Felder von Schauren gejagt hatte. Vielleicht
     lag er ja wirklich in Niederbronn in einem kühlen Grab, auf dessen Grabstein der Name des deutschen Wehrmachtssoldaten Lothar
     Wilhelm stand.
    Der deutsche Wehrmachtssoldat. Ein deutscher Soldat in französischer Erde.
    Wer konnte Dr. Backes daran hindern, die Exhumierung eines deutschen Soldaten in Lothringen zu betreiben, um die sterblichen
     Überreste in die Heimat zu überführen? Keiner. Nicht einmal der ängstliche Dr. Emile Santini.
    Ich sprang aus dem Wagen, stieß die Gartenpforte auf und drückte so lange auf die Klingel, bis Dr. Backes entnervt öffnete.

|192| 16. KAPITEL
    N ur wenige Tage später kam die amtliche Erlaubnis für die Öffnung des Grabes von Lothar Wilhelm in Niederbronn-les-Bains. Wir
     fuhren zu dritt hin. Ich wollte, dass meine Kollegen dabei waren – auch wenn sie sich sträubten. Straßer und Miller gaben
     mir schon seit Tagen zu verstehen, dass sie die Exhumierung für überflüssig hielten. Aber ich ließ mich nicht auf Diskussionen
     ein.
    »Ich brauche euch als Zeugen. Das Gesetz verlangt ein Protokoll. Und eine Absperrung.«
    »Aber doch nicht bei Gräbern aus dem Krieg«, moserte Louis. Was die Absperrung betraf, hatte er recht. Trotzdem ging es nicht
     ohne Protokoll.
    »Wenn ihr schon keinen kriminalistischen Ehrgeiz habt, so tut wenigstens eure Pflicht als Beamte.«
    Am Tor des Friedhofes erwartete uns der 2 CV von Dr. Chariot. Ich hatte ihn durch die Behörden in Metz dazubitten lassen.
     Er grüßte nicht einmal, als er ausstieg. Offensichtlich hielt ich ihn mit der Exhumierung von seiner Arbeit ab.
    Kurz vor Beginn der Prozedur fuhr ein Kleinbus mit Pirmasenser Kennzeichen vor. Zwei grau gekleidete Herren stiegen aus und
     eine Assistentin in engen Jeans und einer Bluse, die viel Haut zeigte. Im öffentlichen Dienst in Frankreich sind Frauen, die
     sich während der Arbeit sehr weiblich kleiden, keine Seltenheit. Aber das Trio, das sofort begann, Fotos von der Grabstelle
     zu schießen, kam von der deutschen Kriegsgräberfürsorge. Der Chef hieß Schmidt, er stellte mir mürrisch seine Begleiter vor
     und erklärte, es sei ihm schleierhaft, warum der Soldat aus Pirmasens |193| jetzt noch in seiner Heimat beerdigt werden müsse, obwohl seine Angehörigen aus der Pfalz alle verstorben seien. Dr. Backes
     hatte sich keine große Mühe gegeben, sich eine glaubwürdige Geschichte auszudenken.
    Zwei Friedhofsangestellte mit Spitzhacken begannen erst zu arbeiten, nachdem ich jedem von ihnen zwanzig Euro in die Hand
     gedrückt hatte.
    Das Ausheben des Grabes dauerte lange. Es war kalt, und niemand sprach ein Wort.
    Ich war verärgert, dass man in

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