Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
hat sich drei Tage lang darüber aufgeregt, dass du wohl keine ordentliche Erziehung genossen haben kannst.«
»Was du natürlich abgestritten hast, oder?«
»Natürlich. Denkst du, ich lasse das Ansehen unserer Familie in den Schmutz ziehen? Ich weiß, dass du gute Manieren hast, Violet, dein Makel liegt eher bei …«
Lord Adair stockte, doch Violet wusste auch so, was er sagen wollte. Ein Überschuss an Fantasie und Erfindungsgeist war irgendwie nicht gern gesehen. Mädchen hatten sich in ihre Korsetts stecken zu lassen, zu lächeln und sich auf keinen Fall anmerken zu lassen, dass sich in ihrem Kopf ein Verstand befand. Einigen Mädchen gelang es tatsächlich, so zu tun, als seien sie hohlköpfige Ankleidepuppen, aber Violet gehörte nicht dazu – und sie gedachte auch nicht, diesem Ideal nachzueifern. Wie schon gesagt, ihre schauspielerischen Fähigkeiten waren nicht sehr ausgeprägt.
»Auf jeden Fall würde ich dich bitten, keine so … exotischen Geschichten zu erzählen, wenn der Sohn von Lord Stanton dir seine Aufwartung macht.«
Violet seufzte. »In Ordnung, Vater. Ich werde ihn stattdessen mit dem Parlieren über Stoffe und Spitzen langweilen, albern kichern und ihn mit Weintrauben füttern.«
Als ihr Vater sie ansah, bemerkte sie ganz deutlich Bedauern in seinen Augen. Bedauern darüber, dass sie kein Junge geworden war, Bedauern, dass sie nicht die Tochter war, die sich ein Mann der Upperclass wünschen konnte. Aber daran war nun nichts mehr zu ändern.
»Bis heute Abend, Liebes«, überging er ihre Bemerkung und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Da das Frühstück im Speisezimmer bereits abgeräumt war und die Dienstmädchen ihre Mutter schon genug zur Weißglut trieben, tappte Violett in ihrem Morgenmantel in Richtung Küche. Alfred würde ihr sicher eine Tasse heißen Kakao machen und Mrs Myrtlewait, die stämmige Köchin, ihr ein paar Scones zustecken. So gerüstet konnte sie sich an die Veränderungen machen, deren ihre Maschine dringend bedurfte.
Lächelnd bog Violet um die Ecke und vernahm bereits hier das Rattern und Schnaufen der Küchenmaschine, die Alfred in Betrieb genommen hatte. Mit ihr konnte man gleichzeitig Wäsche waschen und Gemüse sowie Fleisch hacken. Eine sehr schöne Konstruktion, die allerdings die schwere Arbeit der Spülmägde außer Acht gelassen hatte. Aber dafür war sie ja jetzt da. Der gestrige Fehlversuch war zwar niederschmetternd gewesen, doch davon würde sie sich nicht abhalten lassen. Sie musste einfach nur hinbekommen, dass sich die Klappe nicht öffnete und die Ladung ausspie …
In dem Augenblick, als sie über die Schwelle trat, wandte sich Alfred um. Obwohl sie ja wusste, dass er die Fähigkeit besaß, selbst im schlimmsten Rattern noch die feinsten Geräusche auszumachen, war sie immer wieder verblüfft darüber, dass man sich nicht an ihn heranschleichen konnte.
»Guten Morgen, Mylady, was verschafft uns die Ehre Ihres Besuchs?«, fragte er mit einer kleinen Verbeugung.
»Ich habe verschlafen und das Frühstück verpasst. Hätten Sie vielleicht eine Kleinigkeit für mich?«
»Miss Myrtlewait, haben Sie gehört?«, rief er der Köchin zu, die Violets Eintreffen noch nicht bemerkt hatte.
Erschrocken wirbelte sie herum und wurde rot, als sie Violet neben dem Tisch stehen sah. »Oh, entschuldigen Sie, Mylady, ich habe Sie nicht kommen gehört. Diese Höllenmaschine wird mir noch gänzlich das Gehör rauben.«
Alfred warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Sehen Sie mich nicht so an, Mr Tyler, ich habe doch recht. Ich verstehe nicht, wie Sie noch etwas hören können, wenn das Ding läuft.«
»Jahrelange Übung«, gab Alfred lächelnd zurück, dann holte er ein Gedeck aus dem Schrank. »Hätten Sie vielleicht noch ein paar von Ihren wunderbaren Scones für Lady Violet?«
Wenig später saß Violet am sauber geschrubbten Küchentisch und mampfte die Rosinenscones in sich hinein. Dass sie spät aufgestanden war, hatte immerhin den Vorteil, dass sie nicht das klebrige Porridge verzehren musste und ein wenig Tratsch aufschnappen konnte.
So berichtete Mary von einem Unfall, der sich in der Bibliothek der Havendens ereignet hatte. Das Küchenmädchen hatte ihr berichtet, dass Lord Havenden einen mechanischen Bibliothekar habe ausprobieren wollen, der laut Hersteller imstande sein sollte, Bücher nach Titeln in die Buchregale zu sortieren.
»Eine Arbeit, für die Dienstmädchen mehrere Tage brauchen«, bemerkte Mary wichtigtuerisch. »Doch Lord
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