Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Sound weigerte sich, mich zu ihm zu lassen. Im Handumdrehen haben die beiden ihn dann einfach nach Bedlam gebracht und seinen Schreibtisch geräumt, während ich Zwangsurlaub nehmen musste. Als ich ins Ministerium zurückkehrte, existierte mein Partner nur noch in der Erinnerung. Allerdings wohl ausschließlich in meiner Erinnerung, denn Sound hatte umfassende Maßnahmen ergriffen, um Thorne aus jeglichen Gesprächen und Berichten herauszuhalten.«
Der Anhänger verschwand in ihrer Faust. Schnell überflog Braun die anderen Unterlagen, die auf dem Tisch verstreut lagen, und fand die offenbar älteste Fallakte. »Ich denke, hier drinnen steht alles über die Anfänge des Falles: Der erste Mord, die Leiche eines Fabrikarbeiters trieb in der Themse. Wenn wir … «
»Eliza.«
Darauf reagierte sie prompt. Wie von Wellington beabsichtigt. »Ihre Absichten sind durchaus nobel, aber dieser Fall obliegt nicht Ihrer Verantwortung. Nicht mehr. Ich habe Thorne zwar nicht gekannt, aber da er im Dienst der Königin stand, gehörte er zu einer außerordentlichen Klasse von Männern, einer Klasse, die um die Wichtigkeit von Pflichterfüllung weiß. Und Sie sind dem Ministerium verpflichtet, nicht der Besessenheit eines Kollegen.« Die Sanftheit ihrer Züge schmolz dahin, doch diesmal war Wellington darauf vorbereitet. »Das Ministerium hat Sie nun mit einer anderen Aufgabe betraut, Miss Braun, und wenn Sie dem Ministerium weiterhin dienen möchten, sollten Sie sich darauf konzentrieren, diesem neuen Auftrag gerecht zu werden. Denn falls Sie das nicht tun, wird es für Sie keine weiteren Aufträge mehr geben.«
Braun holte Luft, zweifellos um Protest zu erheben, doch dann besann sie sich eines Besseren und nickte kaum merklich. Vielleicht musste die letzte Ermahnung erst richtig in ihr Bewusstsein dringen. »Sie haben recht, Agent Books. Sie haben völlig recht. Thorne würde wollen, dass ich meine Pflicht erfülle.« Sie klappte die Fallakte wieder zu. »Müssen wir die einzelnen Ordner sortieren, oder können wir sie einfach in eine gemeinsame Kiste legen?«
Eine ausgezeichnete Frage. Eine, über die er bisher noch nicht nachgedacht hatte. »Nun, da es zu diesem speziellen Fall so viele Unterlagen gibt, wäre es durchaus sinnvoll, die einzelnen Ordner chronologisch von links nach rechts zu sortieren.«
»Mit dem Rücken nach oben?«
»Ja, mit dem Rücken nach oben.« Wellington seufzte. »Vielleicht können wir uns diese Kiste zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vornehmen und die Ordnerrücken entsprechend beschriften.«
»Also dann«, kapitulierte Braun. »Für das Ministerium. Nehmen wir die Sache in Angriff.«
Einen Moment lang beobachtete Wellington sie dabei, wie sie einen Schwung Fallakten aufsammelte, einzeln aufschlug und nach einem Datum suchte. Innerhalb weniger Minuten hatte sie bereits drei Stapel mit den jeweils ersten Akten der drei Fälle angelegt. Und dann tat sie etwas völlig Unerwartetes. Sie begann zu singen. Ohne Text zwar, aber es war eine entzückende Melodie, die ihr vielleicht die Bürde ihrer Aufgabe erleichterte. In Gedanken machte Wellington sich eine Notiz, dass es sich bei Brauns Gesang um einen Schutzmechanismus handeln könnte, der es ihr ermöglichte, die Berichte eines Agenten zu archivieren, der ihr einmal nahegestanden hatte. Braun summte weiter, während sie die Aktenordner in chronologischer Reihenfolge und nach Fällen geordnet aufstapelte. Jetzt schien sie ihren Rhythmus gefunden zu haben.
»Agentin Braun?«, fragte er.
»Ja, Welly?«
Über den Spitznamen würde er noch mit ihr sprechen müssen. Aber fürs Erste … »Danke. Dafür, dass Sie das Leck repariert haben.«
»Nicht der Rede wert«, erwiderte sie freundlich. Mit diesen Worten kehrte sie zu ihrer Arbeit zurück und nahm das Summen wieder auf.
Vielleicht war das Schlimmste vorüber. Vielleicht würde sie tatsächlich eine gute Assistentin abgeben.
Kapitel 5
In welchem unser tapferer Archivar in den späten Morgenstunden mit unserem geliebten Hitzkopf aus den Kolonien aneinandergerät
Books’ Schreibfeder kratzte lauter als gewöhnlich. Zugegeben, sobald man einem Stück Papier mit einem Federkiel zu Leibe rückte, war mit diesem Geräusch zu rechnen. Doch an dem speziellen Morgen hatte Wellington bei jedem Kratzen das Gefühl, als bohrte sich ein Nagel durch seinen Schädel. Er spürte regelrecht einen Knoten im Kopf und begriff, wie sehr ihn das ablenkte. Aber warum? Dieses Kratzen war für ihn doch nichts
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