Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Untergrundorganisation infiltriert – eine, bei der es sich jedoch keineswegs um das Haus Usher handelt. Nach unserem gestrigen Gespräch mit dem Wirt können wir davon ausgehen, dass seine Tarnung aufgeflogen ist.«
Eliza merkte, wie die Kopfschmerzen langsam nachließen und ihre Kräfte zurückkehrten. Zudem erfasste sie dieses typische Hochgefühl, wenn während einer Ermittlung ein Puzzleteil an seinen Platz rutschte. Seit fast einem Monat hatte sie nicht mehr so empfunden, und es fühlte sich verdammt gut an. »Also, was hat dieser Doktor damit zu tun?«
»Eine faszinierende Frage. Da in Thornes Aufzeichnungen jedoch kein einziger Vermerk über diesen Burschen zu finden ist, vermute ich, dass es sich um eine neue Spur handelt.« Wellington setzte seine Melone auf und zog sich den Mantel an. »Kommen Sie! Lassen Sie es uns herausfinden.«
Das musste er ihr nicht zweimal sagen. Eliza würde Wellington Books und sein unerwartetes Interesse an diesem ungelösten Fall bestimmt nicht infrage stellen. Für einen Augenblick wurde ihr ganz schwindelig vor lauter Optimismus. Woher kam dieses Gefühl? Konnte es eine der Nebenwirkungen von Wellingtons Medizin sein, oder entsprang es der Tatsache, dass er beschlossen hatte, tatkräftig mit ihr an einem Strang zu ziehen?
Eigentlich war es gleichgültig, und sie mussten eine Kutsche erwischen.
Als sie Miggins Antiquitätenladen verließen, wartete die Droschke bereits, genau wie Wellington es ihr versichert hatte. Mit der Begeisterung eines Kindes sprangen sie hinein. Londons Straßen boten einen Anblick geschäftigen Treibens, das seinen mittäglichen Höhepunkt erreicht hatte. So viel besser, als im Archiv eingesperrt zu sein, dachte sie. Doch diesen Gedanken behielt sie lieber für sich – wenn auch nur, um nicht zu riskieren, dass Wellington die Kutsche sofort wenden ließ. Während der ganzen Fahrt leierte er ihr über den Fall die Ohren voll. Dabei redete er dermaßen schnell, dass sich selbst der Droschkenkutscher erstaunt zu ihnen umdrehte. Für ihn klang Wellington vermutlich, als redete er in Zungen, und Eliza hätte ihren Kollegen gern zum Schweigen gebracht, wenn er nur einmal Luft geholt und ihr die Möglichkeit gegeben hätte, ihn zu unterbrechen. Die meisten Fakten seiner nicht enden wollenden Ausführungen kannte sie bereits, aber Wellington hielt es offenbar für unerlässlich, alle Akten erneut durchzugehen und ihr seine Sicht der Dinge zu erläutern. Die Aufmerksamkeit, die sie ihm entgegenbrachte, konnte bestenfalls als höflich bezeichnet werden. Unterdessen gab sich Eliza dem Hochgefühl hin, endlich wieder im Einsatz zu sein – auch wenn sich der Einsatzort auf London beschränkte.
Als sie Charing Cross erreichten, kam die Kutsche direkt gegenüber der Arztpraxis zum Stehen. Es war ein zweistöckiges Haus mit weiß getünchtem Mauerwerk, wie bei allen anderen in der Straße. Elizas Haut kribbelte. Wie viele Wochen hatte sie jetzt im Archiv zugebracht? Oder liegt es an diesem Heilmittel? Natürlich nicht, entgegnete unverzüglich eine innere Stimme. Du bist wieder im Einsatz. Du bist dort, wo du hingehörst. Harry wäre so stolz auf dich. Nimm dir heute Nachmittag unbedingt noch etwas Zeit für einen Besuch in Bedlam. Schließlich hast du es dir fest vorgenommen. Prima. So, wovon hat Books noch gleich gesprochen? Einem Doktor. Ach, ja. Die Spur.
All das ging ihr binnen eines Wimpernschlags durch den Kopf. Die Maya müssen eine Menge Spaß gehabt haben, dachte sie verträumt.
»He, Freundchen«, blaffte eine schroffe Stimme über ihr, »haben Sie nicht was vergessen?!«
Books durchwühlte seine Taschen, förderte eine Brieftasche zutage und fummelte das Fahrgeld heraus. Während er seinen kleinen Lapsus berichtigte, nutzte Eliza die Gelegenheit, das Gebäude genauer in Augenschein zu nehmen, das hinter einem schmalen Vorgarten verborgen lag. Auf einem Messingschild prangte stolz der Name Dr. Christopher Smith. Es erweckte den Eindruck von Diskretion und Eleganz – zweifellos ein Spiegelbild des Erfolgs dieses Dr. Smith. Der Garten und das Eisentor waren sehr gepflegt, die Messingbeschläge der Tür glänzten. Eine durchaus ansprechende Praxis. Sie konnte nichts Beunruhigendes entdecken.
Und doch war sie beunruhigt. Zutiefst.
Bis zu diesem Augenblick war Eliza gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie den Nervenkitzel der Jagd vermisst hatte – ihrer Meinung nach der größte Spaß, den man bekleidet haben konnte.
Die Kutsche rumpelte von
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