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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Junge
mit der Kontroll- und Lohnliste sowie einem Stoß Arbeitsbücher, die einbehalten
worden waren, um einen Lohnabzug vorzunehmen. Die Auszahlung begann. Über den
freien Platz, der den Bahnhof, die Werkstätten, das Lokomotivendepot, die
Lagerhäuser und die Gleise von den Holzhäusern der Verwaltung trennte, zog sich
eine endlose Schlange von Zugbegleitern, Weichenstellern, Schlossern und ihren
Gehilfen und Putzfrauen vom Waggonpark.
    Es roch nach dem Beginn des
städtischen Winters, nach zertrampelten Ahornblättern, geschmolzenem Schnee,
Lokomotivenqualm und warmem Roggenbrot, das im Keller des Bahnhofsrestaurants
soeben aus dem Backofen gezogen wurde. Züge liefen ein und fuhren ab. Sie
wurden zusammengestellt und auseinandergenommen, wobei die Rangierer mit
eingerollten und entfalteten Fähnchen winkten. In allen Tonarten tönten die
Signalhörner der Wächter, die Trillerpfeifen der Rangierer und die Baßsirenen
der Lokomotiven. Rauchsäulen stiegen in unendlichen Schwaden gen Himmel.
Lokomotiven standen zur Abfahrt bereit, sie verbrühten die kalten Winterwolken
mit siedend heißem Dampf.
    Längs des Bahndamms gingen der
Streckenleiter Fuflygin, Ingenieur für Verkehrswege, und der Streckenmeister
des Bahnhofsbereichs Pawel Antipow auf und ab. Dieser enervierte den
Instandsetzungsdienst mit Beschwerden über das Material, das für die Erneuerung
der Gleise angeliefert worden war. Der Stahl sei nicht elastisch genug. Die
Schienen hätten die Spannungs- und Bruchtests nicht ausgehalten und müßten nach
seiner Erfahrung bei Frost brechen. Die Verwaltung nahm Antipows Klagen
gleichmütig auf. Irgendwer verdiente an den Lieferungen.
    Fuflygin trug einen offenen
teuren Pelzmantel mit den Eisenbahnertressen und darunter einen neuen
Zivilanzug aus Cheviot. Er schritt vorsichtig die Böschung entlang und warf
immer wieder verliebte Blicke auf den Jackettsaum, die scharfen Bügelfalten der
Hose und die eleganten Schuhe.
    Antipows Worte gingen bei ihm
zum einen Ohr hinein und zum anderen hinaus. Er dachte an seine eigenen
Angelegenheiten, zog immer wieder die Taschenuhr, warf einen Blick darauf und
war sichtlich in Eile.
    »Gewiß, gewiß, mein Bester«,
unterbrach er ungeduldig Antipow, »aber das gilt doch nur für Hauptstrecken
oder stark befahrene Abschnitte. Und was ist das hier? Abstell- und Kopfgleise
voller Kletten und Brennesseln, schlimmstenfalls Verschiebegleise für
Leerwaggons und Ausweichstellen für die Rangierloks. Und da regst du dich auf!
So was Verrücktes! Das ist doch ganz was anderes, hier könnte man auch
Holzschienen verlegen.«
    Fuflygin sah nach der Uhr,
klappte den Deckel zu und blickte in die Ferne, wo die Chaussee die Bahngleise
überquerte. In der Chausseebiegung zeigte sich eine Kutsche. Es war sein
eigenes Gespann. Seine Frau kam ihn abholen. Der Kutscher hielt die Pferde fast
am Bahndamm an, zügelte sie ständig und redete mit hohem Frauenstimmchen auf
sie ein wie eine Kinderfrau auf plärrende Gören, da sie vor der Eisenbahn
scheuten. Im Fond der Kutsche saß, lässig in die Kissen geschmiegt, eine schöne
Dame.
    »Na, mein Lieber, ein
andermal«, sagte der Streckenleiter mit einer wegwerfenden Handbewegung, »ich
habe jetzt andere Sorgen als deine Beschwerden. Es gibt Wichtigeres.« Das
Ehepaar rollte davon.
     
    Drei oder vier Stunden später,
kurz vor der Dämmerung, wuchsen abseits der Landstraße auf dem Feld zwei
Gestalten aus der Erde, die vorher nicht zu sehen gewesen waren, und gingen,
sich oftmals umblickend, rasch davon. Es waren Antipow und Tiwersin.
    »Komm rasch«, sagte Tiwersin.
»Ich hab keine Bange, daß uns Spitzel aufspüren, aber ich fürchte, die andern
machen mit dem Hin und Her Schluß, kommen aus der Erdhütte und holen uns ein.
Ich kann sie nicht mehr sehen. Wenn alle so zaudern, hat es keinen Zweck,
überhaupt was zu unternehmen. Dann ist auch das Komitee sinnlos. Wozu mit dem
Feuer spielen und sich in ein Mauseloch verkriechen! Du bist mir auch so
einer, du unterstützt diesen Quark mit der Strecke Moskau— Petersburg.«
    »Meine Darja hat Bauchtyphus.
Ich muß sie ins Krankenhaus bringen. So lange ist mit mir nichts anzufangen.«
    »Heute soll Zahltag sein. Ich
geh jetzt ins Büro. Wäre heute nicht die Lohnzahlung, bei Gott, ich würde auf
euch alle pfeifen und auf eigene Faust ganz schnell Schluß machen mit dem Hin
und Her.«
    »Und wie, wenn ich fragen
darf?«
    »Ganz einfach. Ich geh in den
Kesselraum, gebe das Signal mit der Sirene, und

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