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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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abzuspielen schienen, und das Lager im
Wald war so voller Menschen, daß noch so viele von dort in den Kampf ziehen
konnten und immer noch genug zurückblieben, so daß es niemals leer stand.
    Das
Grollen der fernen Schlacht drang kaum bis zu dem Lager. Doch plötzlich
knallten im Wald ganz in der Nähe Schüsse, und es kam zu einer wilden
Schießerei. Von dort stürmten Männer davon. Die Leute von den Hilfstruppen
liefen zu ihren Fuhrwerken. Ein Tumult entstand. Alle machten sich kampfbereit.
    Aber der
Tumult legte sich bald wieder. Es war falscher Alarm gewesen. Immer mehr
Menschen strömten zu der Stelle, wo geschossen worden war. Zu denen, die schon
dort standen, kamen immer neue.
    Die Menge
umringte einen auf der Erde liegenden blutüberströmten, grauenhaft
verstümmelten Mann. Dieser atmete kaum noch. Der rechte Arm und das linke Bein
waren ihm abgehackt worden. Es war unbegreiflich, wie der Unglückliche mit den
verbliebenen Gliedmaßen kriechend das Lager erreicht hatte. Die abgehackten
blutigen Glieder waren ihm auf den Rücken gebunden mitsamt einem Brett, auf
dem, mit wüsten Flüchen durchsetzt, geschrieben stand, daß dies die Vergeltung
für Bestialitäten der und der Roten-Abteilung sei, mit der die Partisanen aus
der Waldbruderschaft nichts zu tun hatten. Außerdem war beigefügt, daß so mit
allen verfahren würde, wenn die Partisanen sich nicht bis zu einem bestimmten
Termin ergäben und ihre Waffen an Vertreter von Wizyns Korps ablieferten.
    Der
Krüppel, dieser blutüberströmte Märtyrer, erzählte abgerissen mit schwacher
Stimme und versagender Zunge, aller Augenblicke das Bewußtsein verlierend, von
den Folterungen bei den rückwärtigen Untersuchungsund Strafabteilungen General
Wizyns. Er war zum Tod durch Erhängen verurteilt worden, doch sie hatten ihn
zum Abhacken eines Arms und eines Beins begnadigt und ihn so verstümmelt zwecks
Abschreckung zu dem Partisanenlager geschafft. Bis zu der bewachten Lagerzone
hatten sie ihn getragen, dann hatten sie ihn auf die Erde gelegt, ihm befohlen,
weiterzukriechen, und ihn mit ein paar Schüssen in die Luft angetrieben.
    Der
Gequälte konnte kaum die Lippen bewegen. Um sein undeutliches Stammeln zu
hören, beugte man sich tief über ihn. Er sagte: »Paßt auf, Brüder. Er ist zu
euch durchgebrochen.«
    »Wir haben
Sperrabteilungen hingeschickt. Dort ist eine große Schlägerei. Wir halten
stand.«
    »Er ist
durchgebrochen. Bestimmt. Er will euch überraschend ans Leder. Ich weiß es.
Ach, ich kann nicht mehr, Brüder. Ihr seht, ich verblute, ich spucke Blut.
Gleich ist es zu Ende.«
    »Lieg
still, ruh dich aus. Und sag nichts. Und ihr stellt ihm keine Fragen, ihr
Unmenschen. Ihr seht doch, es schadet ihm.«
    »Er hat
keine heile Stelle an mir übriggelassen, der Blutsäufer, der Hund. Er hat
gesagt, mit meinem Blut soll ich mich reinwaschen, und ich soll ihm sagen, wer
ich bin. Aber wenn ich das sag, Brüder, was dann, ich bin ja ein richtiger
Disertör. Ja. Ich bin ja von ihm zu euch übergelaufen.«
    »Du sagst
immer er. Wer ist es, der dich so verstümmelt hat?«
    »Ach, Brüder,
innen drin kehrt sich alles um. Laßt mich Luft holen. Gleich sag ich's.
Bekeschin, der Ataman. Oberst Strese. Wizyn und seine Leute. Ihr hier im Wald,
ihr wißt gar nichts. Die Städte stöhnen. Aus lebendigen Menschen wird Eisen
gekocht. Aus lebendigen Menschen werden Riemen geschnitten. Sie packen dich am
Kragen und stecken dich in irgendein stockfinsteres Loch. Du tastest rum, ein
Käfig, ein Waggon. Allein in dem Käfig mehr als vierzig Menschen in Unterzeug.
Immer wieder macht einer den Käfig auf, und eine Riesenpranke greift in den
Waggon. Schnappt sich den erstbesten. Raus mit ihm. Das ist wie
Hühnerschlachten. Wahrhaftig. Der eine wird aufgehängt, der andere mit
Ladestöcken geprügelt, noch einer zum Verhör. Sie ziehen ihn aus, streuen ihm
Salz in die Wunden, begießen ihn mit kochendem Wasser. Wenn einer weich wird
und unter sich macht, zwingen sie ihn, es aufzufressen. Und mit den Kinderchen,
und mit den Frauen erst, o Gott!«
    Der
Unglückliche lag in den letzten Zügen. Er sprach nicht zu Ende, schrie, schluchzte
und gab den Geist auf. Das begriffen alle sofort, sie zogen die Mütze und
bekreuzigten sich.
    Am Abend
verbreitete sich im Lager eine noch grauenhaftere Neuigkeit wie ein Lauffeuer.
    In der
Menge, die den Sterbenden umstand, war auch Pamfil Palych gewesen. Er hatte
alles gesehen und gehört und auch die Drohungen auf dem Brett

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