Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
Vom Netzwerk:
Erwägungen nennen, ist mir unbekannt.«
    »Nein, Sie
erinnern mich immer mehr an Ihren Vater. Er war genauso eigensinnig. Also, zur
Hauptsache. Aber da das eine recht komplizierte Geschichte ist, fassen Sie sich
in Geduld. Bitte hören Sie mich an und unterbrechen Sie mich nicht.
    An der
Spitze sind große Veränderungen in Vorbereitung. Doch, doch, das habe ich aus
ganz sicherer Quelle, Sie brauchen nicht zu zweifeln. Vorgesehen ist ein Übergang
auf demokratischere Gleise, ein Zugeständnis an die allgemeine Gesetzlichkeit,
und das in allernächster Zukunft.
    Aber
gerade deshalb werden die Strafinstitutionen, deren Auflösung vorgesehen ist,
zum Schluß um so schlimmer wüten und um so eiliger ihre örtlichen Rechnungen
begleichen. Ihre Vernichtung ist beschlossene Sache, Juri Andrejewitsch. Ihr
Name steht auf der Liste. Ich sage das nicht im Scherz, ich habe es selbst
gesehen, Sie können mir glauben. Denken Sie an Ihre Rettung, sonst könnte es zu
spät sein.
    Aber all
das war nur die Vorrede. Ich komme jetzt zum Kern der Dinge.
    Im
Primorje, am Stillen Ozean, werden politische Kräfte zusammengezogen, die der
gestürzten Provisorischen Regierung und der aufgelösten Konstituierenden
Versammlung treu geblieben sind. Dort versammeln sich Dumaangehörige,
Staatsfunktionäre, angesehene ehemalige Semstwomitarbeiter, Geschäftsleute,
Industrielle. Die Generäle der Freiwilligenarmeen konzentrieren dort die Reste
ihrer Truppen.
    Die
Sowjetmacht toleriert das Entstehen der Fernöstlichen Republik. Die Existenz
eines solchen Gebildes am Rande des Landes ist vorteilhaft für sie, denn es
wirkt wie ein Puffer zwischen dem Roten Sibirien und der Außenwelt. Die
Regierung der Republik wird sich gemischt zusammensetzen. Mehr als die Hälfte
der Posten hat Moskau für Kommunisten beansprucht, um mit deren Hilfe, sobald
es günstig ist, den Umschwung zu vollziehen und sich die Republik gefügig zu
machen. Dieser Plan ist vollkommen durchschaubar, und es geht nur darum, daß
man es versteht, die verbleibende Zeit zu nutzen.
    Ich habe
vor der Revolution die Geschäfte der Brüder Archarow, Merkulow und anderer
Handels- und Bankhäuser in Wladiwostok geführt, man kennt mich dort. Ein
Geheimemissär der entstehenden Regierung hat mir halb geheim, halb mit
offizieller Duldung der Sowjets die Einladung gebracht, als Justizminister in
die Fernöstliche Regierung einzutreten. Ich habe zugestimmt und bin dorthin
unterwegs. Alles, was ich jetzt gesagt habe, geschieht mit Wissen und
stillschweigendem Einverständnis der Sowjetmacht, doch wiederum nicht so
offen, daß man es ausplaudern sollte.
    Ich kann
Sie und Larissa Fjodorowna mitnehmen. Von dort können Sie leicht übers Meer zu
Ihren Angehörigen gelangen. Diese sind ausgewiesen worden, das dürfte Ihnen
bekannt sein. Die Geschichte hat von sich reden gemacht, in Moskau haben es
die Spatzen von den Dächern gepfiffen. Ich habe Larissa Fjodorowna versprochen,
den Schlag abzuwenden, der ihrem Mann Pawel Antipow droht. Als Mitglied einer
selbständigen und anerkannten Regierung werde ich Strelnikow, wie er sich
nennt, in Ostsibirien ausfindig machen und dafür sorgen, daß er auf unser autonomes
Gebiet übertritt. Wenn es ihm nicht gelingt zu fliehen, werde ich vorschlagen,
ihn gegen eine von unseren Verbündeten festgehaltene Person auszutauschen, die
für die Moskauer Zentralmacht wichtig ist.«
    Lara
folgte nur mühsam dem Gespräch, dessen Sinn ihr häufig entglitt. Bei den
letzten Worten Komarowskis aber, die die Sicherheit Doktor Shiwagos und ihres
Mannes betrafen, trat sie aus dem Zustand nachdenklicher Teilnahmslosigkeit
heraus, horchte auf und warf leicht errötend ein: »Verstehst du, Jura, wie wichtig
diese Überlegungen für dich und Pawluscha sind?«
    »Du bist
zu vertrauensselig. Man kann doch nicht kaum Durchdachtes für bereits
Vollzogenes nehmen. Ich will ja gar nicht sagen, daß Viktor Ippolitowitsch uns
absichtlich an der Nase herumführt. Aber das Ganze ist doch völlig ungewiß! Und
nun, Viktor Ippolitowitsch, ein paar Worte von meiner Seite. Ich danke Ihnen
für Ihre Teilnahme an meinem Schicksal, aber glauben Sie wirklich, daß ich
Ihnen gestatten werde, es zu gestalten? Was Ihre Sorge um Strelnikow angeht, so
muß Larissa Fjodorowna darüber nachdenken.«
    »Worauf
läuft das Ganze hinaus? Darauf, ob wir mit ihm fahren, wie er uns anbietet,
oder nicht. Du weißt sehr gut, daß ich ohne dich nicht fahre.«
    Komarowski
trank fleißig von dem verdünnten Sprit,

Weitere Kostenlose Bücher