Boris Pasternak
geputzt und Senf in provencalisches Öl gerieben für
die Soßen und Salate.
Schon am Morgen kam Schura
Schlesinger, Anna Iwanownas Busenfreundin und Vertraute, und fiel allen auf die
Nerven.
Schura Schlesinger war eine
hochgewachsene hagere Frau mit regelmäßigen, etwas männlichen Gesichtszügen,
die ein wenig an den Zaren erinnerten, besonders wenn sie ihre graue
Persianermütze schief trug, die sie auch im Hause aufbehielt, nur daß sie den
an ihr festgesteckten Schleier leicht anhob.
Wenn die beiden Frauen
mißgestimmt waren und Sorgen hatten, brachte ihnen ein Gespräch gegenseitig
Erleichterung. Diese bestand darin, daß sie einander immer giftigere
Sticheleien sagten. Es kam jedesmal zu einer stürmischen Szene, die jedoch bald
mit Tränen und Versöhnung endete. Die regelmäßigen Zankereien wirkten auf beide
beruhigend wie Blutegel bei Bluthochdruck.
Schura war ein paarmal
verheiratet gewesen, aber sie hatte ihre Männer gleich nach der Scheidung
vergessen und ihnen ohnehin so wenig Bedeutung beigemessen, daß sie in all
ihren Gepflogenheiten die kühle Selbständigkeit der alleinstehenden Frau
beibehielt.
Sie war Theosophin, wußte aber
auch über die orthodoxe Liturgie so gut Bescheid, daß sie es sich sogar toute
transportee, im Zustand völliger Extase, nicht verkneifen konnte, den
Geistlichen zu soufflieren, was sie zu sagen oder zu singen hätten. »Erhöre
mich, Herr«, »der du bist zu allen Zeiten«, »Die redlichen Cherubim«, all dies
brachte ihr heiseres Organ fortwährend hastig hervor.
Schura wußte auch in
Mathematik und indischen Geheimlehren Bescheid, wußte die Adressen der
bedeutendsten Professoren am Moskauer Konservatorium, wußte, wer mit wem lebte
- du lieber Gott, was sie nicht alles wußte! Darum wurde sie bei ernsthaften
Wechselfällen des Lebens als Schlichterin und Schiedsrichterin hinzugezogen.
Zur festgesetzten Stunde
trafen die Gäste ein: Adelaida Filippowna, die Hinzens, die Fufkows, Herr und
Frau Bassurman, die Wershizkis, Oberst Kawkaszew. Es schneite, und wenn die
Haustür geöffnet wurde, fegte die Luft wirr vorüber, erfüllt von den Knötchen
der großen und kleinen Schneeflocken. Die Männer trugen hohe Stiefel, die ihnen
um die Beine schlappten, und zeigten sich durch die Bank als zerstreute und
linkische Tölpel, ihre vom Frost erfrischten Frauen im Pelzmantel hingegen, die
beiden oberen Knopfe offen und mit nach hinten gerutschtem Flauschtuch über dem
bereiften Haar, gaben sich als abgefeimte, heimtückische Spitzbübinnen, mit
denen nicht gut Kirschenessen war. »Der Neffe von Cäsar Kjui«, flüsterten
alle, als der neue Pianist eintraf, der zum erstenmal in diesem Haus eingeladen
war. Vom Saal aus sah man durch die weit geöffnete Flügeltür die gedeckte Tafel
im Speisesaal, lang wie eine winterliche Straße. Ins Auge fiel das grelle
Blinken des Ebereschenschnapses in den körnig geschliffenen Karaffen. Die
Phantasie wurde angeregt von Menagen mit Öl und Essig in Karäffchen auf
silbernen Untersetzern und dem malerischen Anblick von Wildbret und Vorspeisen,
und sogar die pyramidenförmig gefalteten Servietten, die jedes Gedeck krönten,
und die nach Mandeln duftenden blaulila Zinerarien in Körben schienen den
Appetit zu reizen. Um den Genuß irdischer Nahrung nicht zu sehr in die Ferne zu
rücken, hatte man es eilig, sich der geistigen Nahrung zuzuwenden. Alle setzten
sich auf die Stuhlreihen des Saals. »Der Neffe von Cäsar Kjui«, wurde wieder
geflüstert, als der Pianist seinen Platz hinter dem Instrument einnahm. Das
Konzert begann.
Über die Sonate war bekannt,
daß sie langweilig und von anstrengender Tiefsinnigkeit sei. Diese Erwartung
bestätigte sich, überdies zog sie sich schrecklich in die Länge.
Hierüber stritten sich in der
Pause der Kritiker Kerimbekow und der Hausherr. Der Kritiker schmähte die
Sonate, während Gromeko sie in Schutz nahm. Man rauchte, Stühle wurden lärmend
gerückt.
Wieder fielen die Blicke auf
das blanke gebügelte Tischtuch im Nebenraum. Alle waren dafür, das Konzert
unverzüglich fortzusetzen.
Der Pianist blickte ins
Publikum und nickte seinen Partnern zu. Der Geiger und der Cellist
Tyschkewitsch schwenkten ihre Bogen. Das Trio schluchzte los.
Jura, Tonja und Mischa Gordon,
der jetzt sein halbes Leben bei den Gromekos verbrachte, saßen in der dritten
Reihe.
»Jegorowna macht Ihnen
Zeichen«, flüsterte Jura dem Hausherrn zu, der vor ihm saß.
In der Saaltür stand die alte
Jegorowna, das grauhaarige
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