Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
Frau, die darüber nicht lachen konnte, verzog ihre blutlosen, dünnen Lippen zu einer säuerlichen Miene.
»Darf ich kurz hereinkommen?«
»Schließen Sie die Tür hinter sich, Mijnheer Kommissar.« Betty Vernimmen drehte sich ruckartig um und ging mit kerzengeradem Rücken voran.
Deleu folgte ihr durch den nach Seife riechenden Flur ins Wohnzimmer. »Ist Ihr Mann zu Hause?«
Die grimmig dreinblickende Frau setzte sich aufs Sofa und drapierte ihren Rock sittsam um die Fußknöchel. »Nein, er ist nicht da.« Statt Deleu, dem der Regen vom Mantel tropfte, zum Sitzen aufzufordern, ließ sie ihn einfach stehen. Erst als er mit dem Schuh durch die Wasserlache auf dem Boden wischte, was sie mit einem vernichtenden Blick quittierte, kam sie ihm endlich entgegen. »Nehmen Sie Platz. Und hängen Sie bitte Ihren Mantel im Flur auf.« Dann eilte sie in die Küche, und noch bevor Deleu sich in Bewegung gesetzt hatte, war sie wieder zurück und wischte das Wasser vor seinen Füßen weg.
Während Betty Vernimmen mit einem Baumwolllappen das Bohnerwachs in den Holzboden rieb und Deleu noch immer ignorierte, ließ der Kommissar sich auf das nächste Sofa sinken. Er schniefte ein paar Mal, bis die Frau schließlich aufschaute und mit ihren Putzutensilien zur Küche marschierte. Nachdem sie verschwunden war, spielte Deleu mit seiner Zigarettenpackung, doch als ihre Schritte näher kamen, stopfte er die Packung wieder in die Tasche und zog etwas aus der Brusttasche seines Hemds. »Hier haben Sie schon mal meine Visitenkarte.«
Widerstrebend nahm Betty Vernimmen die Karte entgegen und legte sie unbesehen auf die Ecke des Couchtischs.
»Wissen Sie, wo er ist, Mevrouw Vernimmen?«
»Wer?«
»Ihr Mann. Jozef Van Cleynenbreughel. Er ist doch Ihr Mann, oder?«, fragte Deleu scharf.
»Was wollen Sie denn von meinem Mann?«
»Wissen Sie, wo er ist? Oder wann er wieder nach Hause kommt?«
»Das weiß ich nicht. Ist bestimmt spazieren. Viel macht er ja sonst nicht. Im Grunde gar nichts. Essen, schlafen und spazieren gehen. Aber warum sind Sie hier? Was hat er ausgefressen?« Die Frau spielte nervös an den Knöpfen ihres Kleids. »Ist ihm was zugestoßen?«
In dem Moment klingelte Deleus Mobiltelefon. Er schüttelte verneinend den Kopf, machte eine abwehrende Handbewegung und holte sein Handy hervor. »Deleu … Ja, Junge. Macht nichts … Rob, ich bin im Dienst … Ja, ich werde deine Mutter anrufen … Ja, Rob!« Deleu drückte so fest auf die rote Taste des Mobiltelefons, dass es fast zerbrach. Dann ließ er es wieder in seine Tasche gleiten. Verärgert warf er der arroganten Xanthippe ihm gegenüber einen Blick zu.
»Mevrouw Vernimmen, ich denke, dass Ihr Mann in Schwierigkeiten steckt. Wir vermuten, dass er indirekt in den Mord an einem Mädchen verwickelt ist, das im Herbst Zweitausendeins auf bestialische Weise umgebracht wurde …«
Die Frau griff sich an die Brust, und die Haut um ihre Nasenflügel wurde kreidebleich. Sie schien einem Herzinfarkt nahe und nicht in der Lage, noch ein Wort hervorzubringen.
Deleu, der von dem Scharmützel mit seinem Sohn noch aufgebracht war, fuhr fort und fragte nonchalant: »Hat Ihr Mann eine Wunde am Hals?«
Als die Bilder des Nachmittags zurückkehrten und Betty Vernimmen sich erinnerte, wie ihr Mann seinen Hals krampfartig gegen den hochgeschlagenen Kragen seines Overalls gedrückt hatte, erstarrte sie und schien durch Deleu hindurchzuschauen, der daraufhin seine nonchalante Haltung sofort aufgab.
Er rückte nach vorn an die Sofakante und richtete sich aufmerksam auf. Plötzlich glaubte er Schritte und eine zuschlagende Tür zu hören und drehte den Kopf in Richtung Küche. Als er seine Frage erneut formulieren wollte und aufstand, um in die Küche zu gehen, klingelte sein Mobiltelefon ein weiteres Mal. Mit einem kräftigen Daumendruck schaltete er das Gerät aus.
»Wissen Sie, wo er ist?«
Die Frau schien wie vom Blitz getroffen. Sie stützte den Kopf in die Hände und reagierte nicht.
»Mevrouw Vernimmen?«
Betty Vernimmen faltete ruhig die Hände im Schoß und schüttelte den Kopf. Eine totale Metamorphose. Ihre Hilflosigkeit ließ Deleu zweifeln, und er gab seine aggressive Haltung auf. »Mevrouw Vernimmen, was haben Sie? Was ist mit Ihrem Mann los?«
»Meinen Sie Muriel Vandergoten?« Die Worte kamen mühsam – vor allem den Namen des ermordeten Mädchens brachte die gepeinigte Frau kaum über die Lippen. Doch noch bevor Betty Vernimmen ihre stockend erzählte
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