Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
irgendetwas mit »Polizei« hinzu. Dann brach sie in Tränen aus.
Der Italiener wusste nicht, wohin mit seinen Händen, und begann ebenfalls fast zu heulen. Er versuchte, ihr beruhigend den Arm um die Schultern zu legen, aber sie wehrte ihn resolut ab. Ihre Lippen bewegten sich. Ruhiger dieses Mal.
Der Italiener scharrte unruhig mit den Füßen. Im nächsten Moment lief er wütend um seinen Wagen herum. Sein wehender Regenmantel verlieh ihm die Aura eines Revolverhelden aus einem Sergio-Leone-Western – allerdings eines betrogenen Revolverhelden. Er stieg hastig in seine Luxuslimousine, ließ die Scheibe herunter und schrie: »Wenn du es wagst, mir das anzutun, mach ich dich fertig. Ich hab eine Familie, du dumme Gans!«
Die letzten Worte waren deutlich zu verstehen. Pierre zog die Augenbrauen hoch und starrte verwundert auf das Nummernschild des Lexus. Dann holte er sein Notizbuch aus der Jackeninnentasche, fand keinen Kuli, schrieb die Nummer leise fluchend auf die beschlagene Fensterscheibe und kramte hastig im Handschuhfach. Da er noch immer keinen Kuli aufspüren konnte, hauchte er erneut gegen die Scheibe und suchte verzweifelt weiter, bis er endlich einen abgenutzten Bleistift entdeckte und » CD 365 « in sein Notizbuch kritzelte.
Als er wieder aufschaute, stand Bieke de Prins noch immer mit ihrem Fahrrad auf dem Gehweg. Sie zitterte. Pierre überlegte, ob er sie ansprechen sollte, verzichtete dann aber darauf und beschloss, erst einmal die Identität des Italieners festzustellen. Ein Italiener, der Van Cleynenbreughel verdammt ähnlich sah.
Pierre Vindevogel rieb sich mit der Hand über die Stirn.
Denk nach, Junge, denk nach.
»Wenn das stimmt … dann ist Van Cleynenbreughel unschuldig«, murmelte er bestürzt, als ihm bewusst wurde, dass Bieke de Prins einen Liebhaber hatte. Einen verheirateten Liebhaber.
Angenommen, es war nicht Van Cleynenbreughel, der sie in der Nähe des Fitnesszentrums belästigt hat. Angenommen, es war dieser Kerl hier. Dann …
Pierre betrachtete die Trauerränder unter seinen Fingernägeln.
Dann … ja, was dann?
Fluchend griff er zum Sprechfunkgerät und wählte die Nummer der Zentrale.
Das Mikrofon krächzte: »Notrufzentrale Bezirk Mechelen, womit kann ich …«
»Juul, hier ist Pierre … Ja, Juul, Pierre Vindevogel. Juul, Fahrzeugkennzeichen CD 365 . Ich brauche Name und Adresse des Halters … Was? Musst du das jetzt auch noch wissen? … Nein, ich weiß es nicht mehr. Irgend so ein fetter Japaner … Keine Ahnung. Irgendwas mit einem ›x‹ in der Mitte … Ja, genau. Plexus. Das ist es.«
Zum zweiten Mal zückte Pierre Vindevogel sein Notizbuch und schrieb »Luis Hidalgo, Oscar Van Kesbeeckstraat 26 , 2800 Mechelen« hinein. Dann wählte er Bosmans’ Nummer.
*
Als Deleu wild gestikulierend in sein Büro gestürmt kam, steckte Bosmans sein Mobiltelefon in die Jackeninnentasche und schaute ratlos auf. Er nickte Vereecken kurz zu, der halb aus seinem Rollstuhl hing, weil er sich zusammen mit dem Untersuchungsrichter über einen gewaltigen Aktenstapel beugte.
»Jos, in dem Café … Ich bin da wahrscheinlich auf Hedwiges Mann getroffen, John Mispelters. Als ich hereinkam, ist er Hals über Kopf abgehauen. Er muss mich erkannt haben. Der Wirt hat mir erzählt, dass er mit Van Cleynenbreughel befreundet war. Wir liegen also vollkommen falsch. Wir haben uns die ganze Zeit auf seine Frau konzentriert.« Keuchend beugte Deleu sich nach vorn und stützte sich mit den Händen auf den Knien ab.
»Setz dich, Dirk.« Bosmans strahlte eine derartige Ruhe aus, dass auch Deleu sich wieder fasste.
»Was ist los, Jos?«
»Nichts.«
»Jos, das ist eine wichtige Information. Oder interessiert dich das alles nicht mehr? Der Mann von Hedwige und Jozef Van Cleynenbreughel haben sich in diesem Café kennengelernt. Wir müssen herausfinden, was die zwei zusammen ausgeheckt haben und diesen Kerl dann …«
»Er lebt von ihr«, murmelte Bosmans, während er einen Zettel von sich wegschob und Walter Vereecken ansah.
Deleu zog sich einen Bürostuhl heran, schob den Aktenstapel mit dem Ellbogen zur Seite und schenkte sich einen lauwarmen Kaffee ein.
Bosmans schaute auf. »Erzähl mal ein bisschen mehr über dieses Hexenritual.«
»Da gibt es nichts zu erzählen«, antwortete Deleu trotzig. »Nur eine nasse Hose, eine aufkommende Erkältung und ein geschwollener Knöchel.«
»Okay, das lese ich ja dann alles in deinem Bericht.«
»Bericht?«
Bosmans grinste
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