Botschaften des Herzens: Roman (German Edition)
nicht? Ich bereue sehr, das nicht getan zu haben, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte.«
Er kicherte. »Sie sind ja erst sechsundzwanzig. Ich glaube nicht, dass Sie keine Gelegenheit mehr dazu haben werden. Sie können doch noch ihr ganzes Leben lang verreisen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin zu feige, um allein als Rucksacktouristin durch die Gegend zu ziehen. Zumindest war ich das bisher«, fügte sie nach einigem Nachdenken hinzu.
»Sie müssen ja nicht als Rucksacktouristin reisen. Es gibt viele Möglichkeiten, ein bisschen von der Welt zu sehen, ohne dabei schwere Sachen zu schleppen.«
Sie kicherte und setzte sich auf. »Ich schätze, das stimmt. Ich bin bisher durch Bücher verreist, aber wie Sie sagen, es ist noch Zeit für Veränderungen.«
Er stützte sich auf den Ellbogen und betrachtete sie. Laura fühlte die Wärme seines Körpers neben ihrem, und eine glückliche Zufriedenheit erfüllte sie. Sie sprach mit ihrem absoluten Lieblingsautor vor dem Hintergrund einer atemberaubenden irischen Landschaft.
»Der beste Schriftsteller in der Welt kann eigene Erfahrungen nicht ersetzen«, meinte er.
»Nein, ersetzen nicht, doch es kann noch besser sein, nicht wahr?«
»Wie meinen Sie das?«
Sie deutete auf den Ausblick. »Na ja, nehmen Sie zum Beispiel diese Landschaft. Es ist wunderschön, hier zu sein, weil es überwältigend ist, wirklich großartig. Aber wenn Sie es in einem Buch beschreiben, dann können Sie ihr noch weitere Bedeutungen geben, die ein bloßes Bild oder die reine Betrachtung des Bildes nicht beinhalten.«
Er machte ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem Seufzen und einem Kichern lag. »Sprechen Sie von mir oder von Schriftstellern generell?«
Sie zuckte die Schultern. »Von beidem. Was Ihnen besser gefällt.«
»Ich glaube, dann nehme ich die generelle Variante. Die Verantwortung wäre sonst zu groß.«
»Empfinden Sie es als Verantwortung, Schriftsteller zu sein?« Das war etwas, das Laura sich immer gefragt hatte.
»Ein bisschen.« Er schien darüber nicht weiter sprechen zu wollen. »Möchten Sie noch ein bisschen weiterlaufen? Wir können die Sachen hierlassen und später wiederkommen und Tee trinken.«
»Oh ja.« Sie stand auf. »Vielleicht nutze ich die Möglichkeit zu verreisen, halte es aber in sehr kleinem Rahmen.«
Er lachte. »Dann kommen Sie.«
Sie liefen auf die Hügelkuppe, von wo aus man einen etwas anderen Ausblick hatte. Die Sonne schien noch immer, und das Meer glitzerte. Weil sie aufs Wasser hinausstarrte und die Insel zu sehen versuchte, von der Dermot gesagt hatte, dass sie manchmal zu sehen sei, stolperte sie. Er griff nach ihrem Arm.
»Alles in Ordnung? Sie haben sich nicht den Knöchel verstaucht oder so etwas?«
»Nein, mir geht’s gut.« Beunruhigt von seiner Nähe, trat sie einen Schritt von ihm weg. »Wer zuerst unten bei den Picknicksachen ist!«
Während sie rannte und dabei sehr genau aufpasste, wo sie hintrat, fragte sie sich, warum sie vor Dermot davonlief. Lag es an ihm oder an ihr selbst, weil sie sich nicht traute? Als sie bei ihren Sachen ankam und zusammenbrach, wusste sie, dass der Grund in ihr selbst zu suchen war. Sie traute sich selbst alles zu. Wenn er sie bitten würde, ihn an einen geschützten Ort zu begleiten und mit ihm zu schlafen, dann würde sie vielleicht nicht Nein sagen. Und das durfte sie nicht. Sie reiste bald ab, und sie mochte ihn schon viel zu sehr, um etwas riskieren zu wollen, das sie später bereuen würde. Sie kannte sich selbst zu gut.
»Nun«, meinte er, als er sich neben sie fallen ließ. »Sind Sie bereit für den Tee? Es gibt auch Früchtebrot dazu.«
»Später vielleicht. Im Moment kann ich wirklich nichts mehr essen.« Plötzlich müde, legte sie sich auf den Rücken, lauschte dem Meer und den Geräuschen der Natur: dem gelegentlichen Blöken eines Schafs, einem Traktor in der Ferne, Möwen. Als Laura die Augen schloss, wurde ihr bewusst, dass sie kaum je einfach nur die Natur genoss. Normalerweise hätte sie ein Buch mitgebracht, und obwohl ihr die schöne Landschaft nicht entgangen wäre, hätte sie sich ihr nicht auf dieselbe Weise geöffnet.
Ein bisschen später schlug sie die Augen wieder auf und merkte, dass Dermot neben ihr lag. Obwohl sie sich nicht regte, musste er gespürt haben, dass sie wach war, denn er sagte: »Man würde gar nicht denken, dass man im Januar draußen ein Nickerchen machen kann, oder?«
Sie kicherte schläfrig. »Nein, obwohl wir natürlich sehr warm
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