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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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hier den Vorhang zu und fragte währenddessen: «Wann sehe ich Sie wieder?»
    Landen schwieg für einen Moment. Dann sagte er:
    «Ich wusste nicht, dass das wichtig ist.»
    «Ist es vielleicht.»
    Wieder das Schweigen, und nach einigen Sekunden: «Ich komme in vierzehn Tagen zurück.»
    «Haben Sie ‹ich› gesagt oder ‹wir›?»
    Landen antwortete nicht.
    Alle Lampen bis auf eine kleine Stehlampe waren ausgeschaltet. Sie fand es gemütlich. Fehlte nur noch Barclay James Harvest. Sie nahm die Wodkaflasche zum Sofa mit und stellte sie in die Mitte des Tischchens.
    «Bleibt Ihre Frau noch in Japan?»
    «Ja.»
    «Länger?»
    «Ja.»
    «Steht sie jetzt neben Ihnen?»
    «Nein.»
    Ein vierter Richard Landen. Ein wortkarger, über-rumpelter, abweisender. Einer, der erst hinterher wissen würde, was er eigentlich hatte sagen wollen. «Wie lange bleibt Ihre Frau in Japan?»
    «Vermutlich bis nach der Geburt unseres Kindes.»
    «Oh.» Sie erhob sich, ging um den Couchtisch mit der Wodkaflasche herum. Die Flasche sah von hinten noch einladender aus als von vorn. Geheimnisvoll und viel versprechend. Sie setzte sich und sagte:
    «Dann werden wir viel Zeit haben. Sie haben dreimal innerhalb von einer Woche bei mir angerufen, ich ge-he also davon aus, dass Sie viel Zeit mit mir haben wollen. Oder?»
    «Ich lege jetzt auf, Louise.»
    «Gut.»
    «Ich rufe Sie an, wenn ich zurück bin. Dann …‼
    Landen brach ab.
    «Dann?»
    «Auf Wiedersehen.»

    Die nächsten Minuten verbrachte sie damit, nicht zu trinken. Die Lust und das Bedürfnis waren schier übermächtig. Doch jeden Moment konnte Lederle anrufen und Bescheid sagen, wo Fröbick mit den Kindern war. Vorher wieder zu trinken wäre fahrlässig.
    Sie nahm sich vor, erst hinterher wieder zu trinken.
    Eine Viertelstunde lang starrte sie die Flasche an, ohne sie zu berühren, und fühlte sich dabei sehr verantwortungsbewusst. Ein paar Mal überlegte sie, ob einigermaßen verantwortungsbewusst nicht auch gereicht hätte. Aber sie gab den Stimmen in ihrem Kopf nicht nach. Sicherheitshalber stellte sie den Wodka unter die Spüle zurück. Letztlich, dachte sie dabei, war das Leben ein einziger Kampf gegen die Bedürf-nisse der Seele. Was die Seele wollte, zerstörte den Körper.
    Als sie sich wieder setzte, fiel ihr auf, dass in Mankells Die fünfte Frau nur noch ihr Lesezeichen steckte.
    Später überlegte sie, was «Ich rufe Sie an, wenn ich zurück bin. Dann …‼ bedeutete.
    Erst einmal bedeutete es, dass aus Richard Landens Sicht alles, was es zwischen ihnen zu besprechen gab, bis zu seiner Rückkehr Zeit hatte. Aber es bedeutete auch, dass es ein «Dann» gab. Ein «Dann sehen wir weiter» oder ein «Dann sprechen wir uns aus» oder ein «Dann treiben wir es in meinem Tee-Schuppen».
    Das «Dann» bedeutete, dass ihre Beziehung mit dem Satz «Ich rufe Sie an, wenn ich zurück bin» allein nicht adäquat wiedergegeben werden konnte. Dass sie darüber hinausging.
    Zufrieden legte sie die bloßen Füße auf den Couchtisch und schlief ein.
    Als sie erwachte, war es immer noch Nachmittag.
    Das Licht im Zimmer hatte sich nicht verändert. Die Zeit war nicht vergangen. Ihr Blick fiel auf ihre Füße.
    Unvermittelt dachte sie an die Kettchen um Natchayas Fußgelenke, spürte ihre kühle Haut an den Handflächen. Sie wünschte, einigermaßen verantwortungsbewusst hätte gereicht.
    Lederle hatte nicht angerufen. Noch immer war Fröbick mit Pham und einem zweijährigen Mädchen aus Poipet auf der Flucht. Was würde er mit den Kindern tun, wenn er sein Ziel oder sein Versteck erreicht hatte? Wenn er allein weiterfliehen musste? Würde er sie knebeln und fesseln und in den Kofferraum seines Wagens legen wie Calambert Annetta? Würde er sie im Schnee aussetzen?
    Und was würde er mit den Kindern tun, falls er gestellt wurde?
    Hollerer erholte sich halbwegs gut. Aber er hatte gebeten, das Telefon aus seinem Zimmer zu entfernen. Er wolle, sagte Roman, der Zivildienstleistende, Ruhe, um nachzudenken. Sie verstand ihn. Roman sagte: «Er will auch nicht, dass ich ihm vorles.» Sie setzte an, um zu sagen, er solle es mit einem weniger deprimierenden Buch als Der Fremde versuchen. Aber sie schwieg.

    «Er will auch keinen Besuch», sagte Roman.
    «Ich werde trotzdem kommen.»
    «Lieber nicht.»
    Gegen vier rief sie Anatol an. Um fünf stand er vor der Tür. Er brachte Blumen, Schokolade, Prosecco mit und sah noch jünger aus als im Krankenhaus. «Hey», sagte er. «Hab leider nicht viel Zeit.» Er

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