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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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ein dunkelblaues Cordhemd, das ihm bis auf die Oberschenkel hing. Nicht zum ersten Mal fand sie, dass er als Model für Kleidung für Vierzigjährige hät-te durchgehen können.
    Das änderte nichts daran, dass er undurchschaubar blieb. Warum hatte er sie eingeladen, wenn seine Frau zu Hause war?
    «Tokonoma, die Bildnische», sagte er und deutete mit dem Kinn auf den Erker. «Möchten Sie einen Tee?»
    Tommo und sie schüttelten synchron den Kopf.
    Sie setzten sich auf die Kissen. Louise nahm einen angenehm vagen Geruch nach Sandelholz wahr. Sie war froh, dass sie das T-Shirt gewechselt hatte. Als Landen sich nach Taro erkundigte, antwortete sie, es gebe keine Neuigkeiten. Er saß gegenüber von Tommo, näher bei ihr. Beide sahen nicht einander an, sondern sie.
    Sie sprachen über Taro, das Kloster, den Roshi.
    Tommo kannte alle Namen, wusste über alles Bescheid. Sie nickte oft, sagte wenig und bewegte sich nicht. Sie sah elegant, gebildet, mitfühlend aus. Auch sie, fand Louise, hätte sich in der Bildnische gut gemacht, anstelle der Vase mit den Blumen, nur für die Dekoration. Sie fragte sich, was ihre Leidenschaft wecken mochte. Worüber lachte Tommo? Worüber weinte sie? Wie war es, mit ihr zu schlafen? Woher stammten die Augenringe?

    Richard Landen wirkte in Gegenwart seiner Frau noch kühler als sonst. Er schien sich die Worte zu-rechtzulegen, bevor er etwas sagte. Er dosierte die Intensität, mit der er sprach. Alles an ihm wirkte vorsichtig und zurückhaltend. Durch ein engmaschiges Netz aus Rücksicht gesiebt.
    Nun kannte sie drei Richard Landens. Einen beleh-renden, einen engagierten, einen sich verbergenden.
    Der Erste war langweilig, der Zweite erotisch, der Dritte deprimierend. Nach zwanzig Minuten sagte sie, sie müsse jetzt gehen.
    «Bleiben Sie doch noch», sagte Richard Landen.
    «Ja, bitte», sagte Tommo. «Bleiben Sie zum Essen, ich habe Maultaschen vorbereitet.»
    Also blieb sie. Und bekam ihre Zeit mit Landen allein, da Tommo sich kurz darauf erhob, um das Essen herzurichten. Manche Traditionen hatten auch ihr Gutes. Tommo verschwand lautlos. Augenringe, dachte Louise, gingen auf Schlafmangel oder Tränen zurück. Obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass Tommo weinte, begann sie sich zu entspannen.
    Landen schwieg. Still und ungenutzt vergingen die wertvollen Sekunden.
    «Was macht Ihre Frau beruflich?», fragte sie schließlich.
    «Sie ist Software-Expertin für ein japanisches Unternehmen.»
    «In Freiburg?»
    «Ja.»
    «Haben Sie sich in Japan kennen gelernt?»

    Er nickte. Während seiner Zeit «drüben». Vor drei Jahren, als er nach Deutschland zurückgekehrt war, war Tommo mit ihm gegangen.
    Allmählich kam Leben in ihn. Er erzählte von Japan, Recherchen für ein Buch über die japanischen Formen des Buddhismus, einem halbjährigen Aufenthalt im Zen-Kloster Nanzen-ji in Kioto. Von Tommo und ihrer Familie, die erst nach langer Zeit Skepsis und Distanziertheit aufgegeben hatte. Dann jedoch hatte sie ihn wie einen Sohn behandelt.
    «Trotzdem sind Sie nach Deutschland zurück?
    Warum?»
    «Ich hatte … nun ja, Heimweh.» Er lächelte. «Je länger ich in Japan war, desto fremder habe ich mich dort gefühlt. Am Ende war ich so gut integriert, wie man als Westler nur integriert sein kann – und hatte das Gefühl, der einsamste Mensch auf Erden zu sein.»
    «Trotz Shizu.»
    «Ja, trotz Shizu. Verstehen Sie, was ich meine?»
    «Nein.»
    Sie lachten. Landen sagte: «Erst wenn man etwas gut kennt, wird einem bewusst, wie wenig man es kennt. Ganz egal, ob es ein Land ist oder ein Mensch.
    Das ist zumindest meine Erfahrung.»
    «Geht Ihnen das mit allen Menschen so oder nur mit … äh, anderen Nationalitäten?»
    «Letztlich mit allen. Je länger man einen Menschen kennt, desto rätselhafter wird er, ganz gleich, woher er kommt. Man begreift, dass man ihn nie wirklich kennen oder verstehen kann, weil er nun mal nicht man selbst ist.»
    «Aha.»
    «Geht es Ihnen nicht so?»
    «Hab noch nie drüber nachgedacht.»
    «Darf ich Sie etwas fragen?»
    Sie seufzte. «Kommt drauf an.»
    «Arbeiten Sie immer allein?»
    «Nein.»
    «Und warum jetzt?»
    «Weil ich im Urlaub bin.»
    «Sie könnten den Urlaub abbrechen.»
    «Ich mach gern Urlaub.» Landen lachte. Louise sagte: «Wann kommt das Kind?»
    «Das … Oh. Ende Juli, Anfang August.»
    Sie nickte. Tommo war im dritten Monat. Doch etwas stimmte nicht. Sie spürte, dass Landen nicht gern über das Kind sprach. Wollte er keine Kinder? Wollte er

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