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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Finger in den Mund. Ihr anderer
Arm blieb eng um Megs Nacken geschlungen.
    »Neunundzwanzig, achtundzwanzig…« Einer der
rothaarigen Jungen zählte rückwärts. Es konnte nicht
schon zwei Minuten her sein. Ein feiner Lichtschimmer erschien auf
einer Seite des bläulichen Kreises. »Da geht se hin!«
sagte jemand. Meg zog Laynie wieder die Brille an und blickte auf den
Schnee. Die Sonne flackerte auf, wurde wieder blendend hell, und
donnernder Applaus brandete auf.
    Die rothaarigen Jungen schlugen Meg auf den Rücken.
    »Junge, war das toll!« sagten sie immer wieder.
»Junge, sind wir froh, auf Sie gehört zu haben!«
    Rich grinste sie an. »Du hast die Frauenbefreiungsbewegung um
hundert Jahre hinausgeschoben«, sagte er und drückte ihr
fest die Hand.
    »Was für ein Schauspiel«, sagte Paulos und wippte
mit dem Ausdruck höchster Zufriedenheit auf den Zehenspitzen.
»Was für ein Schauspiel.«
    »O«, sagte Meg und machte sich durch den Wald von
Stativen mit Laynie noch im Arm davon.
    Sie hatten den Platz schon geräumt, die vier, und trugen ihre
Geräte den Hügel hinab. Es war vermutlich noch
möglich, sie abzufangen, bevor sie den Park erreichten. Ich
möchte sie nicht einholen, dachte Meg. Ich möchte
nur wissen, was sie davon gehalten haben: ob es die Sache wert
gewesen ist, den ganzen weiten Weg hergekommen zu sein. Sie
konnte sie weiter unten gestikulieren sehen. Ihre Gesten hatten
diesmal etwas Großartiges an sich. Meg entnahm ihren Gesten,
daß es sich gelohnt hatte.
    »Laynie mußte auf die Toilette«, erklärte
Meg, als sie zurückkamen. Die Luft war kalt geworden. Sie zog
Laynie die Kapuze über den Kopf.
    »Ein Temperaturabfall von zehn Grad während der
Eklipse«, sagte Paulos. »Und es sieht so aus, als
würde das Wetter wieder unangenehm.« Er stieg in den
Wagen.
    Die dichten Wolkenschichten schoben sich unerbittlich erneut vor
die Sonne.
    Meg plazierte Laynie auf den Rücksitz und half dann Rich, das
Kamerastativ im Kofferradio zu verstauen. »Du hast nicht vor, es
mir zu erzählen?« fragte Rich.
    Meg sah ihn an. »Dir was zu erzählen?«
    Er schlug die Tür des Kofferraumes zu. Meg kletterte auf den
Rücksitz neben Laynie. Rich startete den Wagen.
    »Ich würde verdammt gern wissen, was du dort hinter dem
Gebäude getrieben hast«, sagte Paulos. »Das war
vielleicht eine Wettervorhersage!«
    »Hm«, sagte Meg. Sie strengte sich an, einen Blick in
den Park zu erhaschen, als sie die Seitenstraße passierten, die
sie und Laynie entlang gegangen waren.
    »Rakete«, sagte Laynie. »Rakete. Tana.
Klipse.«
    »Was, Liebling?« fragte Rich.
    Notsituationen erfordern Notmaßnahmen. Meg stopfte Laynie
einen Keks in den Mund.

 
Daisy in der Sonne
     
     
    Einführung
     
    Während des Luftangriffs auf London wurde Edward R. Murrow
durch den Anblick eines Löschzuges alarmiert, der an ihm
vorbeiraste. Es war mitten am Tag: keine Sirene war gegangen, und er
hatte keine Bomber in der Luft gehört. Nach einer längeren
Zeit der Besinnung überkam ihn schließlich die Erkenntnis,
daß es sich um einen gewöhnlichen Hausbrand handelte; und
das kam ihm irgendwie unmöglich vor; so, als hätten sich
sämtliche gewöhnlichen Katastrophen während der
großen Katastrophe zurückzuhalten, die über London
hereingebrochen war und die Aufmerksamkeit aller erzwang.
    Aber natürlich fingen die Häuser noch immer aus
Ursachen Feuer und brannten ab, die nichts mit dem Luftangriff zu tun
hatten; und sogar angesichts Armageddons wird es noch immer private
Armageddons geben, die verlangen, daß man sich mit ihnen
auseinandersetzt.

Keiner der anderen war eine richtige Hilfe. Daisys Bruder blickte
sie nur verständnislos über sein Buch hinweg an, als sie in
der Küche neben ihm auf dem Boden kniete und sagte:
»Erinnerst du dich noch an die Zeit, als wir in
Großmutters Haus wohnten; nur wir drei, und niemand
sonst?« Sein Gesicht war abweisend und desinteressiert.
»Wovon handelt das Buch?« erkundigte sie sich freundlich.
»Handelt es von der Sonne? Früher hast du mir und
Großmutter deine Bücher immer laut vorgelesen. Alles
über die Sonne.«
    Er stand auf und ging ans Küchenfenster und sah auf den
Schnee hinaus, zeichnete Muster auf das trockene Fenster. Zudem
handelte das Buch, wie Daisy sich durch einen Blick überzeugte,
von etwas anderem.
    »Zu Hause hat es nicht immer so geschneit wie hier,
oder?« hatte Daisy Großmutter gefragt. »Es kann nicht
die ganze Zeit geschneit haben; nicht einmal in

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