Brann 01 - Seelentrinkerin
außerstande blieb, die Flöte zu spielen). »Sollen wir Hammerfaust dein Haus niederbrennen lassen?«
Taguiloa lachte, ohne sich dabei etwas zu denken, erwartete dann unversehens von Yaril für seine mangelnde Achtung gescholten zu werden, doch allem Anschein nach verdroß seine Erheiterung sie nicht. »So unvernünftig ist Hammerfaust nun auch wieder nicht«, sagte er. »Selbst an einem so nebeligen Abend würde jedes Feuer sogleich um sich greifen und halb Silili einäschern. Es wäre übel genug für ihn, Hina an den Fersen zu haben, falls ein Geist oder sonstwer ihn als den Brandstifter benennt, aber ein derartiger Brand müßte ihm sicherlich temuengische Vollstrecker und womöglich gar einen Zensor des Kaisers auf den Hals hetzen. Man würde ihm bei lebendigem Leibe das Fell abziehen und ihn zum Verfaulen aufhängen. Und dazu seine ganze Familie und alle, die ihm helfen, und deren Familien ebenso.« Taguiloa reckte die Arme. »Und nach seinem Tod würden die Geister jener Toten, an deren Tod er die Schuld trüge, seinen Geist verfolgen und quälen. Solche Unannehmlichkeiten bin ich ihm nicht wert. Ausgeschlossen. Nicht einmal um Yarms willen, der großen Hoffnung der Familie.« Er lächelte dem kleinen Mädchen zu. »Magst du auch mitkommen?«
Flüchtig sah Yaril ihren Bruder an, dann nickte sie. »Warum nicht? Diese Vorgänge mit den Geistern sind aber reichlich sonderbar.«
Taguiloa musterte sie. »Stirbt euresgleichen nicht?«
»O doch, klar doch. Aber unsere Toten sind und bleiben tot. Geister? Nee.«
»Hat euer Volk denn keine Seelen?«
»Darüber wird gestritten, seit Ältester Ahn das Sprechen lernte.« Yaril hob die Schultern. »Nichts als Kräfte- und Zeitverschwendung, finde ich.« Sie schaute Jaril zu, wie seine Gestalt verflimmerte, er sich in einen hinaischen Knaben verwandelte. »Dies ist die erste wirkliche Welt, die wir kennenlernen, in der es Geister gibt, mit denen man sich richtig unterhalten kann.« Auch ihre Erscheinung begann zu flimmern, sie verwandelte sich in einen kleinen goldgelben Lemuren, hüpfte ihrem Bruder, um ihn so zu begleiten, auf die Schulter.
»Tja, als kleines Mädchen kann sie ja wohl nicht mitkommen«, sagte Jaril, »es wäre deinen Bekannten bestimmt peinlich.«
Taguiloa zog die Haustür zu, drehte den Schlüssel im Schloß und steckte sich das Stück Metall in die Tasche, dann schlenderte er durchs Rauschen der Sträucher beidseits des Pfads zur Gartenpforte, nahm sich unterwegs vor, die Pflanzen am nächsten Morgen zu gießen. »Ihr wechselt doch ständig die Gestalt, weshalb hat sie sich nicht auch in 'nen Knaben verwandelt?«
Der Lemur gab ein Schnattern von sich, das nach Entrüstung klang. Jaril grinste und täschelte die Pfote des Halbäffchens. »Aber Yaril ist doch weiblich«, antwortete er. »Sie könnt's nicht tun.«
»Weshalb nicht?« Seine Neugierde trieb Taguiloa zur Hartnäckigkeit. »Es sind doch bloß Äußerlichkeiten. Zöge ich Frauenkleidung an, schminkte mir das Gesicht, setzte 'ne Perücke auf und übte mich 'n bißchen in der Bewegungsart eines Weibes, ich wäre, glaube ich, als Frau ziemlich überzeugend, doch an meinem wahren Geschlecht würde sich dadurch ja überhaupt nichts ändern.«
Der Knabe heftete den Blick seiner seltsam kristallhaften Augen auf Taguiloa; als Taguiloa bereits sicher war, er werde keine Antwort geben, tat er es doch. »Bei uns sind das Innere und das Äußere eins. Versuchen wir die Natur des Äußeren zu beeinflussen, leugnen und entstellen wir die innere Natur. Insofern sollte es dir, daß wir als Kinder umgehen«, — Jaril grinste, zeigte das freche Grinsen eines Gassenjungen, das anscheinmäßig bezüglich Taguiloas sowohl Anerkennung wie auch Spöttigkeit zum Ausdruck brachte —, »folgerichtig klarmachen, daß wir in der Tat Kinder sind.«
»Wie alt seid ihr denn?«
»Schwer zu sagen. Zeit ist 'n komisches Ding. Sechsoder siebenhundert eurer Jahre. So ungefähr.«
»Und da wollt ihr Kinder sein?«
»Wir werden langsam erwachsen.«
»Kommt mir auch so vor.« Taguiloa tippte mit den Fingern auf Jarils Schopf, bemerkte zu seiner Beruhigung, daß er handfest und warm war und leicht fettig. »Da wir über Sonderbarkeiten reden, ihr Wandelkinder seid für meine Begriffe viel merkwürdiger als jeder Geist, den ich jemals gesehen habe.«
Sie streiften durchs Vergnügungsviertel, tranken zusammen den einen oder anderen Krug Wein, und der Lemur mit seinem glatten weichen Fell und gezierten Getue wurde
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