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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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übers aufgewühlte graue Wasser des Sees aus, die kurzen Molen, an denen man die Vergnügungsboote zum Schutz gegen Regenfälle mit straffen Segeltuchbahnen überspannt hatte. Die Prunkstraße war menschenleer, nicht einmal Sklaven waren unterwegs, denn es drohte schon seit einer Weile zu regnen, es war diesig, böiger Wind blies, er wehte und flaute ab, wehte immerzu und flaute ab, und gelegentlich spritzte er Brann einige verfrühte Regentropfen ins Gesicht.
    Der Wagen rollte vorwärts, rumpelte über den rauhen kiesigen Marmor, das Rollen hallte dumpf von den Mauern wider, und jedesmal, wenn der Wind aussetzte, klang das langsame Klippklapp der Eisenhufe besonders laut. Taguiloa lenkte den Wagen, neben ihm auf dem Kutschbock saß Linjijan, hatte seine Flöte gut eingepackt, damit etwaiger Regen sie nicht durchnäßte. Linjijan fläzte sich ausgestreckt auf dem Sitz, übte die Fingerbewegungen des Flötenspiels auf den Rippen, kümmerte sich um gar nichts von allem, was rings um ihn geschah. Gegenwärtig war seine Anwesenheit richtig erholsam; Taguiloa fühlte Ruhe von ihm ausgehen, war deswegen froh und dankbar, sein Pulsschlag beruhigte, seine Atmung verlangsamte sich, die Verkrampfung wich aus seinen Muskeln. Er konnte nicht verhindern, daß immer wieder seine Träume seine Gedanken beherrschten: Wenn ihr Auftritt gefiel, des Kaisers Linke Hand daran Interesse fand, dann reifte ihre große Gelegenheit heran, die Gelegenheit zu einer Vorstellung bei Hofe, auf die er schon seit so langem hinwirkte. Er versuchte, nicht an Brann und deren Pläne für den heutigen Abend zu denken, verbannte aus seinen Überlegungen jeden Gedanken an die Wandelkinder und das, was sie tun würden, während er tanzte.
    Weiter vorn trat der Sklave dem Maultier die Fersen in die Flanken, um es, weil es nun ernstlich zu regnen anfing, zu rascherer Gangart anzutreiben.
    Brann tanzte mit Feuer, einer Feuersäule aus ineinander verwobenem Rot, Goldgelb und Blau, die schillerte, brauste und sich wiegte, Jaril war es, der so prächtig leuchtete, im Schatten hinter Brann dröhnten dumpfsinnlich die Trommeln, die Daroud schrammte tief und klangvoll, ertönte mal im Takt, mal im Gegentakt zum Wummern der Trommeln. Des Kaisers Linke Hand, die gleichfalls dort in den Schatten saß, ließ sich durch keinerlei Anzeichen anmerken, ob der Tanz oder die Musik irgendeine Wirkung auf ihn ausübten beziehungsweise welche Wirkung, aber die männlichen Temueng, die zu seinen beiden Seiten Sitzreihen füllten, stampften mit den Füßen, stießen Pfiffe aus. Beides verursachte Brann Besorgnis, das Schweigen der Linken Hand sowie das grobschlächtige, lärmerische Betragen der Meslarlümmel, zehrte an der Kraft, die sie doch fürs Tanzen brauchte. Sie war es der Truppe schuldig, ihr Bestes zu geben, deshalb griff sie auf Kraftvorräte in ihrem tiefsten Innern zurück, steigerte sich zu einer Erhöhung des Schwungs und der Sinnlichkeit ihrer Darbietung. Es schien, als spürten Negomas und Harra ihre Schwierigkeiten und verliehen ihrem Musizieren um so stärkere Ausdruckskraft, so daß der geräumige Saal davon widerhallte, die Linke Hand sich wider Willen doch zu regen begann, sich vorbeugte, sich anmerken ließ, daß das Vorgeführte auf ihn einen gewissen Eindruck machte. Dann hatte Brann ihren Auftritt bewältigt, verbeugte sich und lief in die Schatten hinter den Wandschirmen, die man für die Zwecke der Truppe aufgestellt hatte.
    Taguiloa faßte sie an der Schulter. »Du warst nie besser«, flüsterte er.
    Fahrig lächelte Brann. »Die Zuschauerschaft ist ganz übel«, murmelte sie. »Dumm und überheblich.«
    Taguiloa nickte, läutete kurz das Glöckchen, gab Linjijan und den anderen Musikanten das Zeichen, mit der nächsten Musik zu beginnen. Er nahm seine Keulen zur Hand, fing mit seinen Atemübungen an, lauschte der Musik, die Lider geschlossen, ging in Gedanken die Bewegungsabläufe seines Auftritts durch. Hoch auf dem Geländer des Gasthofs war sein Tanz widersinnigerweise einfacher gewesen, als er hier sein würde, dort hatte er weniger Mühe mit den lustigen Einlagen gehabt.
    Er hörte die Klänge, die seiner Darbietung unmittelbar vorangingen, verdrängte alles außer seinen Körper und der Musik aus seinem Bewußtsein, sauste mit einer wohlberechneten Ungeschicklichkeit, die vortäuschte, er drohte sich noch im selben Augenblick in unausdenkliche Knoten zu verwickeln, die Beherrschung über die Keulen zu verlieren und kopfüber auf den Fußboden

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