Brann 02 - Blaue Magie
längs der Uferstraße in westliche Richtung; unterwegs mußten sie immer wieder Fuhrwerken und anderen Gefährten ausweichen, Krämer fuchtelten wild mit den Armen, Kaufleute eilten mit ihrem Gefolge von Sekretären und Schreibern vorbei. In der Hafengegend war es weniger ruhig, vielmehr herrschte nahezu ohrenbetäubender Lärm, es war heiß und staubig, man konnte tausend Gerüche riechen, zehntausend verschiedene Geräusche hören. Daniel zog Jaril in eine Toreinfahrt, und sie ließen eine Kolonne von Trägern vorüberstapfen. »Also?«
»Heute ist der Tag der Auslosung«, lautete Jarils Antwort. »Er ist immer dabei. Im Yron. Wenn das Los fällt. Und ohne seinen Spiegel kann er uns nicht beobachten. Wenigstens eine Stunde lang werden wir wohl noch unbeachtet bleiben. Und außerdem bin ich ja da.« Er kicherte, als sähe er darin einen Anlaß zur Heiterkeit. »Ich beaufsichtige dich.«
»Mmf.« Daniel trat aus der Toreinfahrt, huschte zwischen zwei Karren hindurch, die von Männern beladen wurden, die sich irgendwelche Spaße zuriefen, während ihre Aufseher hin und her liefen, schrien Befehle, die man befolgte, wenn jemand dazu bereit war, oder überhörte, wenn man sie für unsinnig hielt. Überall flitzten Laufburschen umher, kaum älter als Jaril, beförderten Mitteilungen, kleine Päckchen, überbrachten Weisungen oder Bestellungen; die schrillen Pfiffe, mit denen sie sich ankündeten, verstärkten noch den allgemeinen Krach, dessen Rumoren und Schallen sich an den Mauern der Lagerhäuser brach wie Brandung. Nach ein paar Metern suchten Daniel und Jaril erneut Zuflucht in einer freien Einfahrt. »Wenn du mich begleitest, Jay, kannst du das auch in anderer Gestalt denn als Junge tun?«
»Wieso? Hier laufen doch viele Knaben wie ich rum.«
»Ich weiß. Ich habe bloß das Gefühl, Laux wird redseliger sein, wenn kein zweites Paar Ohren zuhört.«
»Hmm. Du könntest recht haben. Wie wär's mit einem Hund?« . Daniel lachte auf. »Einem richtig großen Hund?«
»Viel Zähne und kein Schwanz.«
Daniel Akamarino, und sein >großer Hund< strebten die Uferstraße entlang, bis sie einen weniger betriebsamen Abschnitt erreichten, in dem am Hafengemäuer kleinere Schiffe und Boote lagen, darunter auch eine schnittige schwarze Ketsch, an deren Mast eine schwarz-weiße Flagge hing; die schlaffe Seide wurde von der schwachen Brise, wenn sie einmal etwas auffrischte, ein wenig entfaltet. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, schaute sich Daniel das Schiff an. »Kühl und feucht ist's.« Der Hund stieß mit der Schnauze an sein Bein. »Na gut, ich beeile mich.« Auf Deck lag faul ein Junge, der beim Klang von Daniels Stimme den Kopf hob und ihn anblinzelte. Daniel schenkte ihm eines seiner Allerweltslächeln. »Wo ist Laux?«
»Warum?«
»Geschäfte. Seine.«
Der Junge hielt eine Hand vor ein Gähnen, zwinkerte durch die Strähnen schmuddeligen blonden Haars, das ihm in die Augen fiel. Nach kurzem Zögern zuckte er mit den Schultern. »Is im >Grünen Krug<. Wenns nich warten wills, komm in zwei Stunden.«
»Wo von hier aus ist der >Grüne Krug«
»Wenns 'n Stück zurück gehs, da liegt die Kuma Kristis, se hat 'ne zweifache Spirale auf der Fahn, schwarz und grün, da is 'ne Gaß zwischen zwei Lagerhäusern, se führt zur Skanixis-Höh, auf halber Läng is der >Grüne Krug<.«
Daniel kramte zwei Kupfermünzen heraus, warf sie dem Jungen zu und grinste vor sich hin, während er sich entfernte. Der Jaril-Hund war schon zwei Ankerplätze weiter, tänzelte ungeduldig bei einem Schiff mit grün-schwarzer Flagge.
»Eleias Laux?«
»Wer will's wissen?«
»Jemand möchte eine Überfahrt.«
»Für Bezahlung oder Arbeit?«
»Bezahlung. Fünf Personen, zwei davon Kinder.«
»Hmm. Setz dich.« Laux glich einer kleinen Spinne von einem Mann, er war ein M'daijin mit einer Haut wie eine alte, auf Hochglanz gewichste Walnuß. Er trug eine Hose und einen Überrock in Schwarz — beides ziemlich verschlissen, ein schwerer, silberner Ohrring baumelte an seinem linken Ohr, das Schmuckstück bestand aus verketteten Silberplättchen mit Einlagen von Moosachat, es zitterte bei jedem Atemzug, den der Schiffsherr tat, zog unwiderstehlich die Aufmerksamkeit eines Gegenübers an, so daß Leute, die ihm begegneten, sich nur ans Schimmern des
Silbers und den Achatglanz erinnerten, nie jedoch an sein Gesicht. Der Ohrschmuck glitzerte augenfällig, als er den Hund betrachtete, als hätte er seinetwegen Bedenken, doch anscheinend
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