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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Lucarellis war zu seinem Erstaunen nur noch ein Fenster erhellt, und plötzlich überfiel ihn Scheu, an die Tür zu klopfen und um Einlass zu bitten. Doch nach einer Nacht im Freien stand ihm nach dem, was dem vorgeblichen Leprakranken zugestoßen war, auch nicht der Sinn.
    Sein Blick fiel auf die Stalltür, und plötzlich musste er lächeln. Warum nicht bei Fidelis im Stroh schlafen, wie er es viele Male unterwegs getan hatte?
    Er öffnete den Hebel, dessen Mechanismus ihm eine der Mägde verraten hatte, und trat ein. Die Pferde waren unruhig, das fiel ihm als Erstes auf. Fidelis scharrte in ihrer Box, als wolle sie unbedingt nach draußen.
    Zu seiner Überraschung kam von irgendwo diffuses Licht. Und er hörte dumpfe Laute, die verzweifelt wirkten. Unwillkürlich schaute er sich nach einer Waffe um. Außer einer Heugabel, die jemand in einen Ballen gestoßen hatte, war nichts Brauchbares zu finden.
    Er zog sie heraus, ging damit langsam auf die Lichtquelle zu – und riss erstarrt die Augen auf.
    Ein Mann kniete im Heu, die Hosen halb heruntergelassen. Vor ihm wand sich verzweifelt Stella, gefesselt und geknebelt. Der Unhold hatte ihr Gewand aufgeschnitten. Das weiße Kleid klaffte in der Mitte auf und entblößte ihren nackten Körper.
    »Weg von ihr! Lass sie sofort los!«, schrie Leo und hob die Heugabel, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    Der Mann sprang auf, wutentbrannt.

    »È mia sposa!« , schrie er zurück. »Capito?«
    Stellas Verlobter, wie Leo erkannte, doch was ging hier Grässliches vor?
    Unvorbereitet auf den Gefühlssturm, der sich in seinem Inneren entlud, stürzte er sich auf Carlo della Rocca.
    »Mach Stella los!«, donnerte Leo. »Sonst wirst du was erleben!« In ihm stritten Zorn, Angst, Begierde und Scham. Nie zuvor hatte er sich derart ausgeliefert gefühlt.
    Der andere zog seine Hosen hoch und blieb scheinbar ungerührt stehen.
    Stellas Blick hing an Leo und bettelte um Erlösung.
    »Losbinden!«, schrie er noch lauter. » Subito – sofort!«
    Als della Rocca immer noch nicht gehorchte, sprang Leo vor, bückte sich und riss den Knebel aus Stellas Mund.
    Sie würgte, gurgelte, gierte nach Luft.
    »Vorsicht, padre !« Ihre Stimme krächzte. »Er hat ein Messer!«
    Im letzten Moment gelang es Leo auszuweichen, doch die Klinge hatte die Kutte bereits durchdrungen und seine Haut leicht geritzt.
    »Du hundsgemeiner Saukerl!«, brüllte er. »Was hast du ihr angetan?«
    Stella begann zu weinen, ein leises, zutiefst hilfloses Geräusch, das alle Dämme in ihm brechen ließ. Mit der Heugabel stürzte er sich auf Carlo und stach zu.
    Der heulte auf, ließ das Messer fallen, presste seine Hand auf die Wunde. Mit einem wütenden Fußtritt jagte es Leo unter das Heu.
    »Sagt ihm, dass ich ihn absteche, wenn er nicht sofort verschwindet!«, rief er Stella zu. »Sagt ihm das!«
    Sie übersetzte stockend.
    Carlo, inzwischen bleich vor Angst, maulte etwas zurück.

    »Er sagt, du bist ein Mönch«, flüsterte Stella, während Leo krampfhaft versuchte, nicht auf ihren hellen Leib zu schauen. »Du darfst nicht töten!«
    »Ich war nicht immer ein Mönch«, schrie Leo. »Sagt ihm das! Und jetzt raus mit dir, della Rocca – subito !«
    Carlo spuckte vor Leo aus. Dann drehte er sich um und lief aus dem Stall.
    Schwer atmend stützte Leo sich auf die Gabel. Dann griff er nach einer Pferdedecke und breitete sie über die Liegende. Erst danach angelte er nach dem Messer und befreite Stella von ihren Fesseln.
    Sie setzte sich auf, totenbleich, mit den Augen eines verwundeten Kindes.
    »Ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen«, flüsterte sie. »Im allerletzten Moment. Carlo wollte … Er wollte Fakten schaffen, damit mein Vater die Hochzeit mit ihm doch noch erlaubt.« Sie rieb sich die schmerzenden Gelenke.
    »Aber Ihr wart doch verlobt …«
    »Wir sind es nicht mehr seit heute Nachmittag. Schreckliche Dinge haben sich seitdem ereignet, padre. Zu schrecklich, um sie Euch jetzt zu erzählen.«
    »Könnt Ihr aufstehen?«, fragte Leo.
    »Ich will es versuchen. Doch dreht Euch bitte zuvor um!«
    Erst als sie leise nach ihm rief, wandte er sich ihr wieder zu. Die Decke, die sie fest um sich gewickelt hatte, verbarg ihr geschändetes Kleid.
    »Davon darf niemand aus der Familie je erfahren, hört Ihr?« In seinen Ohren mehr ein Befehl als eine Bitte. »Das müsst Ihr mir hoch und heilig versprechen. Sie würden mich verstoßen, alle beide.«
    »Eure Eltern?«, fragte Leo verdutzt. »Aber was redet
Ihr da?

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