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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Ihr seid doch ihr Kind! Sie müssen es als Erste erfahren …«
    »Ich bin nur ein Findelbalg.« Stella klang unendlich müde. »Bringt Ihr mich jetzt zurück ins Haus?«
    »Ihr wollt so …« Scham verschloss ihm die Lippen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Dort hinten gibt es eine kleine Tür, und ich werde sehr leise sein.«
    Stella machte ein paar Schritte, dann drehte sie sich noch einmal zu ihm um.
    »Danke, Leo«, flüsterte sie, und ihre Hand berührte einen Lidschlag lang seine Wange. »Danke für alles!«

    Als sie unterwegs zu ihm stieß, hätte Leo sie im ersten Augenblick gar nicht erkannt. Aber das war kein schwarzhaariger Junge, der da plötzlich aus dem Wald auf ihn zukam, das war Stella!
    »Wo sind Eure Haare geblieben?«, fragte er verblüfft.
    Ihre langen Locken waren wüst abgesäbelt und reichten nur noch bis zum Kinn.
    »Tomas Geflügelschere hat mir gute Dienste geleistet«, erwiderte sie grimmig. »Und die Hosen hab ich mir von Marco ausgeliehen, der sich bei uns um die Pferde kümmert. Was starrt Ihr mich so an, padre ? Ich dachte, als Junge könnte ich Euch vielleicht bessere Dienste leisten. Der Eremit schien mir neulich nicht allzu viel von Frauen zu halten, wenn ich mich nicht irre.« Ihr Blick wirkte so unergründlich wie immer, während sie die kühle Morgenluft tief einatmete.
    Eine Weile stiegen sie gemeinsam schweigend weiter. Vogelzwitschern, das Murmeln des Baches, Geräusche, die von ihren Schritten herrührten.

    »Ich hätte niemals damit gerechnet, Euch heute zu sehen«, begann Leo stockend. »Meint Ihr nicht, Signorina Stella, Ihr nehmt Euch ein wenig zu viel …«
    Abrupt war Stella stehen geblieben.
    »Es ist nichts geschehen.« Ihre Stimme klang drohend. » Gar nichts . Geht das endlich in Euren Kopf, padre ? Ich habe Euch doch meine Hilfe angeboten. Und hier ist sie.« Ihre Augen wurden schmal. »Oder braucht Ihr sie vielleicht nicht mehr?«
    »Doch, doch«, sagte er schnell, obwohl er noch immer nicht wusste, wie er Giorgio von seiner Begleitung überzeugen sollte. »Ihr seid meine Ohren, mein Mund, meine Zunge. Ohne Euch bin ich taub und stumm.«
    Sie gab einen Laut von sich, der fast wie Lachen klang.
    »Das gefällt mir«, hörte er sie murmeln. »Sehr sogar.«
    Wieder umfing beide die grüne, unberührte Bergwelt, doch dieses Mal hatte weder Leo noch Stella einen Blick dafür. Sie gingen schnell, wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben, die sie auf das Ziel zuführte.
    »Wisst Ihr denn schon, was Ihr ihn fragen wollt?«, erkundigte sie sich zwischendrin. »Der Alte scheint mir einen ganz eigenen Kopf zu haben.«
    Sie hat einen guten Blick, dachte Leo, auch für die Dinge hinter den Dingen. Und er schüttelte den Kopf.
    »Ich muss sehen, was sich ergibt«, sagte er. »Fra Giorgio ist offenbar nur bereit, ganz bestimmte Dinge auszuspucken. «
    Inzwischen waren sie am Plateau angelangt. Alles schien unverändert, das Kirchlein, die Hütten, der schmale Weg, der tiefer in den Wald zu den Felshöhlen führte.
    Von Giorgio keine Spur.
    Leo begann, nach ihm zu rufen, leise und verhalten zunächst, doch als er keine Antwort erhielt, immer lauter.

    »Er kann nicht weit sein«, sagte Stella, die ein Stück vorangelaufen war und wieder zurückkam. »Dort drüben auf dem Boden liegt sein Strick. Neben einem großen Korb voll frischer Lebensmittel, die kaum berührt erscheinen. Nur vom Kuchen fehlt ein ganzes Stück. Sieht aus, als würde er gern Süßes essen.«
    Leo überlief es kalt.
    Kein Franziskaner legte freiwillig seinen Strick ab – nicht einmal in höchster Lebensgefahr – nicht, wenn er nicht mit Gewalt dazu genötigt wurde.
    »Wir müssen ihn finden«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Giorgio braucht uns jetzt!«
    Beinahe unmöglich, seine Spur zu übersehen. Erbrochenes zog sich von der hintersten Hütte bis in den Wald hinein, eine unregelmäßige Linie, der sie folgten, durchsetzt mit kleinen Kuchenresten.
    »Er muss geschwankt sein«, sagte Leo bedrückt. »Und hier – da wäre er wohl beinahe in die Tiefe gestürzt.«
    Abermals begann er nach Giorgio zu rufen, doch es kam keine Antwort.
    Schließlich entdeckte Stella ihn.
    Der Eremit lag am Eingang der Felsenhöhle, die er mit Leos Hilfe erweitert hat. Die Augen waren geöffnet, die Pupillen unnatürlich geweitet. Leo musste eine lästige Fliegenschar verscheuchen, die sich bereits niedergelassen hatte, um ihr erbarmungsloses Werk zu verrichten. Giorgios Körper wirkte wie verdreht, als hätte jemand

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