Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Verwirrung niemanden mehr aus dem Schlaf zu wecken.
    Den Weg in den Stall konnte er sich dennoch nicht ersparen. Fidelis stand, als hätte sie ihn bereits erwartet, wach in ihrer Box, die sie mit Ilarias schlafender Stute teilte.
    »Besser so, meine Alte!« Liebevoll koste Leo ihre Blesse. »Auf dem Weg, den ich nun zu gehen habe, kann niemand mich begleiten. Aber wir beide werden uns wiedersehen, das verspreche ich dir.«
    Er trat schnell hinaus, ohne sich noch einmal umzuschauen. Doch auf merkwürdige Weise schien der Geist des Pferdes ihn weiter zu begleiten.
    Den Weg bis zur Kirche San Francesco fanden seine Füße inzwischen wie von selbst. Die Stadt lag noch im tiefen Schlummer. Über ihm am wolkenlosen Nachthimmel eine silberne Mondsichel, die langsam am Sinken war, ebenso schmal und verletzlich, wie er sich in dieser Nacht fühlte.
    Die Grablegungskirche empfing ihn dunkel und still, was ihn mit tiefer Freude erfüllte. Seine Überlegungen
waren also richtig gewesen und die Matutin sowie die anschließenden Laudes der Mönche offenbar bereits beendet. Bis zur Terz würde ihn hier niemand mehr stören.
    Langsam ging er auf den schlichten Altar zu, der vor dem Grab des Heiligen stand, kniete sich kurz nieder, um sich dann aus einem plötzlichen Impuls heraus bäuchlings flach auf den Boden zu legen, die Beine eng zusammen, die Arme nach links und rechts ausgestreckt.
    Allmählich wurde sein Atem ruhiger.
    Sein Körper bildete das Zeichen des τ , dieser Gedanke kam ihm nach einer Weile, und er gefiel ihm so gut, dass er die steinerne Härte unter sich nicht unangenehm empfand. Bilder stiegen in ihm auf, die er nicht verscheuchte oder bewertete, sondern einfach geschehen ließ.
    Genauso war er schon einmal vor einem Altar gelegen, vor langen Jahren, als Leonhart von Falkenstein in einer milden Mainacht im Kloster zu Ulm Herkunft und Name abgelegt hatte, um Franziskaner zu werden. Allen anderen Novizen hatte der damalige Abt für ihr Leben als Mönch einen neuen Namen gegeben, den sie später im Alltag vorsichtig erproben sollten. Bei ihm jedoch hatte er eine Ausnahme gemacht.
    »Du sollst Bruder Leo heißen.« Die leise Stimme klang Leo noch immer im Ohr, als wäre es erst gestern geschehen und nicht vor Jahrzehnten. Gegen alle Regeln hatte er damals gewagt, nach oben zu blinzeln, und zu seiner Überraschung hatte der Abt leicht gelächelt.
    »Welch anderen Namen sollte ich einem wie dir schon geben? Ein Lamm wird niemals aus dir werden, das weißt du ebenso gut wie ich. Du bist und bleibst Leo, ein Löwe, der zum Kämpfen bereit ist und, so Gott will, ein trefflicher Streiter Jesu werden wird.«
    Viel zu lange hatte er nicht mehr an diese Szene gedacht,
doch nun erfüllte ihn die Weisheit des alten Abtes mit Frieden und neuer Zuversicht. Mochten die Hindernisse und Schranken sich als noch so schwierig erweisen – er würde sie meistern. Die Wahl Bruder Johannes’ sollte nicht zufällig auf ihn gefallen sein. Er würde dem Generalminister seines Ordens beweisen, dass er sich nicht geirrt hatte.
    Plötzlich konnte Leo es kaum noch erwarten aufzubrechen. Langsam erhob er sich, streckte sich, um wieder Leben in den Gliedmaßen zu fühlen, und verneigte sich noch einmal vor dem Grab des Mannes, der sein Vorbild war.
    Dir zu Ehren, Francesco!, dachte er. Auf dass deine Begleiterin Chiara die richtigen Ehren erhalten möge!
    Er trat hinaus, sog begierig die frische Luft ein, dann machte er sich auf den Weg durch die Stadt in südliche Richtung, genauso wie es die Karte in seinem Ledersack vorschrieb.
    Er war erst ein paar Schritte gegangen, als er plötzlich ein Geräusch hinter sich hörte. Ein streunender Hund? Dazu war es zu laut gewesen!
    Leo starrte in die Dunkelheit, die sich erst langsam aufzuhellen begann. Bis zum Sonnenaufgang würde es noch eine ganze Weile dauern. Doch er konnte nichts erkennen, sosehr er sich auch anstrengte.
    Hinter ihm war nichts als Schatten.

Sechs
    D er frühe Morgen erschien ihm so friedlich wie einer der ersten Schöpfungstage. Der Horizont war rosa gefärbt, der Himmel zartblau und wolkenlos, als Leo erneut seinen Aufstieg zum Monte Subasio begann. Schon nach den ersten Schritten spürte er, wie er innerlich ruhiger wurde. Es gelang ihm sogar, einen Rhythmus zu finden, der seinen Atem schonte, obwohl er gleichzeitig im ganzen Körper spürte, wie sehr der Berg abermals seinen Tribut von ihm forderte.
    Als das schattige Grün des Waldes ihn schließlich kühlend umschloss, kam Leo

Weitere Kostenlose Bücher