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Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Titel: Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Price
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Fall. Ich war zu einem Junggesellenabschied eingeladen, der unter dem Motto »Umgang mit Handfeuerwaffen« stand und an dem insbesondere Anfänger auf dem Gebiet des Waffensports teilnahmen. Der Schießstand war in einem Gebäude untergebracht, das an eine Industrie-Lagerhalle erinnerte. Im Parkhaus standen viele Pick-ups, deren Stoßstangen mit Aufklebern geziert waren, die nicht unbedingt im Zusammenhang mit San Francisco oder Umgebung standen. Die Wände der Eingangshalle und des dazugehörigen Shops waren mit Gewehren geradezu gespickt. Als mein Mann sich scherzhaft erkundigte, ob der Laden schon einmal überfallen worden wäre, antwortete unser Lehrmeister bierernst: »Nein. Wir sind alle bewaffnet.«
    Und das stimmte aufs Wort. Als der Mann unser Grüppchen in einen Ausbildungsraum im hinteren Teil des Gebäudes führte, sah ich die Schäfte zweier Pistolen unter seinem T-Shirt hervorblitzen. Ich ging davon aus, dass ein Mann, der zwei Pistolen mit sich herumschleppte, über entsprechend viel Erfahrung im Umgang mit den Objekten seiner Begierde verfügte, doch das war leider nicht der Fall. Er trug die Einweisung in den Gebrauch von Handfeuerwaffen mit einer Ernsthaftigkeit vor, die man ansonsten nur bei Fortbildungen für Angestellte von Fast-Food-Ketten vorfindet.
    »Was ist das?«, fragte er zum Beispiel, während er auf den hinteren Teil des Raums wies.
    »Eine Mauer«, sagte schließlich irgendwer.
    »Nein. Die Herrentoilette. Kugeln können Mauern nämlich locker durchschlagen.« Die Pointe schien ihm zu gefallen. »Sie dürfen Ihre Waffe nie auf etwas anderes als das Ziel richten.«
    Das war zwar ein guter Hinweis, aber eigentlich erwartete ich mehr. Ich wollte wissen, wie der Sicherungshebel funktioniert und wie man feststellt, ob eine Waffe gesichert ist. Mich interessierte, was ich tun muss, wenn die Kugel klemmt und wo die Notausgänge lagen, falls mein Nebenmann tatsächlich einmal ausrastete.
    Stattdessen erhielten wir eine kurze Einführung, wie man eine Waffe lädt und wie man damit zielt (»Richten Sie den Lauf auf das Ziel«). Anschließend bekamen wir Plastikdosen mit einer Pistole und Schachteln voller Kugeln in die Hände gedrückt und wurden auf den eigentlichen Schießstand losgelassen – einen großen Raum, begrenzt mit Betonwänden, aufgeteilt in lange Sektionen. Eigentlich sah er aus wie eine Kreuzung zwischen Parkhaus und Bowlingbahn, allerdings mit einem gewichtigen Unterschied: Hier trug jeder eine Waffe.
    Zu meinem Leidwesen waren die Waffen nirgendwo befestigt. Es gab also keine Möglichkeit, einen Gast daran zu hindern, sich einem anderen Gast zuzuwenden und ihm ins Gesicht zu feuern. Wären wir die einzigen Menschen in der Schießanlage gewesen, hätte mir dies keinen Anlass zur Sorge bereitet. In einer nahe gelegenen Sektion jedoch hatte sich eine Gruppe junger Männer Mitte zwanzig versammelt, die alle ungeduldig mit den Füßen scharrten, weil jeder endlich an die Reihe kommen wollte. Auch Einzelpersonen lungerten herum,was mich zu der Überlegung veranlasste, ob ein Krimineller sich die Mühe machen würde, das Kästchen FRÜHERE VORSTRAFEN im Formular für Haftungsbedingungen anzukreuzen. Die meiste Angst aber flößte mir eine Frau im Abschnitt neben unserem ein. Sie war etwa Mitte vierzig, hatte blond gefärbtes Haar und trug ein rosa T-Shirt sowie eine Brille, deren eines Glas zur Stabilisierung der Sicht mit einem Streifen Abdeckband beklebt war. Sie schoss methodisch und regelmäßig mit einer 45er-Pistole, und zwar nicht auf eine Zielscheibe, sondern auf den Umriss eines menschlichen Körpers.

39. Ciudad Juárez

    W as ist das Besondere an Grenzen? Warum haben sie grundsätzlich eine aufwühlende Wirkung?«, fragte die New York Times im Dezember 2006 in einem Artikel über El Paso in Texas und Ciudad Juárez in Mexiko. Die beiden Städte liegen einander gegenüber am Ufer des Rio Grande. In dem Artikel ging es um Kochkunst – in den vergangenen Jahren jedoch ist Juárez eher durch seine extrem hohe Kriminalitätsrate zu zweifelhaftem Ruhm gelangt: Zwischen Januar 2008 und dem Frühjahr 2009 wurden in der Stadt mehr als 1800 Menschen ermordet.
    Die meisten dieser Morde gehen auf das Konto der Drogenkartelle, doch es gibt noch ein eher systemisches Problem. Die mexikanische Armee befindet sich in einem aggressiven Kampf gegen die Kartelle; gleichzeitig werden die Soldaten jedoch beschuldigt, Hilfsangebote der örtlichen Polizei zu verschmähen. Im Gegenzug foltert

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