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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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entschieden, wenn die Phantasie sie attackiert, und sobald Leslie sich vorstellt, Alex und der Lehrer seien noch am Leben, stürmen Bilder der beiden Tode auf sie ein, um ihre Illusionen zu zerfetzen. Sie hat nun einen neuen Feind: die Erinnerungen, die sie auf Schritt und Tritt belagern. Ihr eigener Geist ist zu einer Zone geworden, die sie nicht mehr betreten darf.
    Amelie schiebt den Einkaufswagen entschlossen durch die Gänge voller Menschen, die auf ihrem Weg von der Arbeit nach Hause hier vorbeigekommen sind. Sie lädt Pflaumen und Äpfel, Orangensaft, Mandeln, Reiskekse ein …
    »Meistens essen diese Kinder überhaupt nichts Anständiges«, sagt Amélie über die Schulter hinweg. »Das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann.«
    »Wir wär’s mit etwas Fleisch?«, fragt Leslie fast flüsternd.
    Amélie hält ihren Wagen an, dreht sich um und fixiert Leslie mit ihrem Blick. »Das ist das Letzte, was sie brauchen.«
    »Eiweiß«, sagt Leslie achselzuckend.
    »Hören Sie, Leslie, ich weiß, was Sie durchgemacht haben. Ich weiß, wie hart das war, und es wird mit jedem Jahr härter.«
    »Es war bloß ein Vorschlag.«
    »Ich weiß, was diese Kinder zu essen brauchen. Fleisch ist voller Hormone. Sie wissen doch, wie Sie sich selbst nachts fühlen? Die Versuchungen? Die Begierden? Tja, so fühlen einige von denen sich auch, wenn die Hormone richtig in Schwung kommen. Momentan sind sie im Grunde noch Kinder, aber bei manchen von ihnen muss man schon aufpassen.«
    »Ich muss mich um meine Kinder kümmern«, sagt Leslie.
    »Ich weiß, ich weiß. In der Wohnung hab ich etwas, das ich Ihnen geben kann. Pillen, die der Gier die Schärfe nehmen, weitgehend jedenfalls.«
    »Ich mag Pillen nicht.«
    »Die werden zwar nicht grundlegend was ändern, aber wenn Sie sie nehmen, helfen sie wahrscheinlich – eine kleine Weile.«
    »Wieso bloß eine kleine Weile?«
    »Weil Sie sich an sie gewöhnen werden. Sobald das passiert ist, wirken sie nicht mehr. Vielleicht wirken sie sowieso nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Solange Sie bei mir sind, behalte ich Sie im Auge.«
    »Und danach?«
    »Ich bin Krankenschwester«, sagt Amélie. »Schwestern versuchen nur, das Leiden zu lindern.«
    Zwei andere Kunden – ein eleganter älterer Mann und ein korpulenter jüngerer – hören Leslie und Amélie mit unverhohlener Neugier zu.
    »Kann ich etwas für Sie tun?«, fragt Amélie die beiden. Ihre Stimme ist so hart wie ein Tritt ans Schienbein.
    Die beiden Männer schieben ihren Einkaufswagen rasch davon. Der ist mit Schnittblumen, geräucherten Lachsfilets, Crackern, Trauben, einer Flasche Olivenöl gefüllt …
Ach, das Leben
!, denkt Leslie. Die Genüsse des Lebens. Was ist nur aus den Genüssen des Lebens geworden?
    Eine Welle aus Kummer lässt ihre Knie schwach werden. Um ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen, hält sie sich an dem nächstbesten Ding fest, bei dem es sich um einen Kasten mit hoch aufgestapelten Orangen handelt. Eine der Früchte fällt herunter, dann eine andere, und wenige Momente später hüpfen und rollen Dutzende den Gang entlang.
     
    Rodolfo und ein paar andere haben Bernard aus seinem Bett geholfen. Die Wirkung des Morphins hat weitgehend nachgelassen, und jetzt ist Bernard im Wohnzimmer und tippt auf seinem Computer. Der Bildschirm wirft einen wässrigen Schein auf das, was von seinem Gesicht vorhanden ist. Die anderen warten schweigend, als würde er einen Safe knacken, in dem sich alles befindet, was sie sich je gewünscht haben.
    Adam ergreift die Gelegenheit, Alice in die Küche zu ziehen, wo er eindringlich auf sie einflüstert.
    »Wir sollten hier abhauen.«
    »Wohin?«
    »Keine Ahnung. Was meinst denn du, wo wir hinsollten?«
    »Ich bin müde.«
    »Sie wird bald zurückkommen.«
    »Ich hab den Eindruck, es geht ihr besser«, sagt Alice.
    »Es ist stockdunkel. Sollten wir nicht los?«
    »Wir können nirgendwo hin, Adam. Es ist Nacht. Alle sind tot. So ist es eben.«
    »Irgendjemand.«
    »Wie – irgendjemand?«
    »Weiß auch nicht. Irgendjemand wird sich um uns kümmern. Was sollen wir tun? Im Park leben? Oder hier? Das geht doch alles nicht.«
    »Wenigstens sind wir zusammen«, sagt Alice.
    Adam nickt. Er nimmt die Hand seiner Schwester und drückt sie. Es ist, als würde er einen Teil von sich selbst berühren, eine andere Version von sich, die aus einem Traum herausgetreten ist. Aber sie ist kein
Traum
. Sie ist das Realste, was es gibt, und etwas, ohne das er nicht leben kann.
    »He, Alice,

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