Breeds: Harmonys Spiel (German Edition)
Erschöpfung. Diese tiefe Müdigkeit kam nicht nur vom Paarungsrausch. Harmony hatte schon zu lange allein aufgrund ihrer Nervenstärke und ihres eisernen Willens überlebt.
Schlief sie überhaupt jemals?
Er hörte die Antwort im Wind. Sie war auf der Flucht, sie kämpfte, und selbst im Schlaf war sie auf der Hut. Bis jetzt.
Sie sei schwach, hatte sie gemurmelt, unfähig zu kämpfen. Und diese Schwäche machte ihr Angst.
Während er aus der Stadt hinaus in Richtung seines Hauses fuhr, wusste Lance, dass Harmony zu beschützen mehr bedeuten würde, als sie einfach vor der Gefahr zu retten, die sie im Moment bedrohte – wer immer es auch war, der ihnen gerade folgte. Es würde bedeuten, sie vor sich selbst zu beschützen. Denn Harmony würde versuchen zu fliehen. Sobald sie aufwachte, sobald der Paarungsrausch sich gelegt hatte, würde die Angst sie von ihm fortreißen, egal, wie sehr sie sich zu bleiben wünschte.
War das der Grund dafür, dass Jonas sie zu ihm gebracht hatte?
Bei dem Gedanken runzelte Lance die Stirn und fragte sich, wie um alles in der Welt der Kerl gewusst haben konnte, was geschehen würde.
Dann spürte er, wie der Wind sich um seinen Arm legte, ein flüsterndes Streicheln, das ihn an die Blut- und Speichelproben erinnerte, die die Breed-Forscherin Elyiana ihm im Vorjahr abgenommen hatte, nachdem Braden seinen Posten bei der Polizei angetreten hatte. Ihr und Jonas zufolge wurde das von jedem Polizeivollzugsbeamten verlangt, der eng mit Breeds zusammenarbeitete.
Es war ein Trick. Er spürte es, hörte die geflüsterte Bestätigung an seinem Ohr. Jonas hatte das alles schon lange im Voraus geplant, aber warum?
Es gab keine Antworten. Es gab nur den Schrei, rau, abgebrochen, eine Klage tiefer Seelenqual, die ihm das Herz zusammenschnürte. Es war Harmonys Schmerz.
6
»Es war besser für sie, währenddessen zu schlafen …«
»Erschöpfung. Soweit ich weiß, hat sie seit zwei Wochen nicht mehr richtig geschlafen …«
»Wie auch immer, kein Mensch schläft vierundzwanzig Stunden durch …«
Die Stimmen drangen in Harmonys Bewusstsein, während sie spürte, wie sich an bestimmten Stellen ihres Körpers ein kaltes Brennen ausbreitete. An ihren Schenkeln. Armen. An ihrem Hals. Auf ihrer Zunge. Was verdammt merkwürdig war.
Es fühlte sich an, als schwele dort ein eisiges Feuer unter ihrer Haut. Es holte sie langsam aus dem tiefen Schlaf, in den sie versunken war, und zwang sie, in die Realität zurückzukommen, obwohl ihr Körper ganz offensichtlich noch nicht aufwachen wollte.
Aber es wurde unangenehm, dieses kalte Brennen. So unangenehm, dass sie die Stirn runzelte und sich zwang, die Augen zu öffnen.
Ihr Blick fiel auf die Breed-Forscherin Elyiana Morrey und Lance. Lance sah beunruhigt aus, Ely neugierig.
Sie sah sich in Lance’ Schlafzimmer um.
»Es wurde verdammt Zeit, dass du aufwachst«, sagte Lance aufgebracht. »Musst du nie aufs Klo?«
Auf seine unverständliche Frage hin blinzelte sie ihn an.
»Wieso bin ich hier?« Sie sah zu der Wissenschaftlerin. »Wieso bist
du
hier?«
Elys Mund zuckte.
»Ich bin hier, weil Jonas es mir verboten hat.« Die selbstgefällige Zufriedenheit in ihrem Gesicht ließ Harmony die Stirn runzeln.
»
Wieso
bist du hier?«, fragte sie noch einmal.
»Sie ist hier, um mit der Hormonbehandlung zu beginnen, die du brauchst, um nicht schwanger zu werden«, antwortete Lance schließlich anstelle der Ärztin. »Sie ist geblieben, nachdem du auch während ihrer Untersuchung nicht aufgewacht bist.«
Harmonys Finger verkrampften sich in der Decke.
»Ihr habt mich untersucht, während ich geschlafen habe?« Und sie hatte es nicht gemerkt? Hatte nichts gespürt?
Sie schluckte, während sie zu Lance hochstarrte.
Er beobachtete sie aus schmerzerfüllten Augen. Sein Gesichtsausdruck war deutlich von Sorge gezeichnet.
»So war es leichter für dich«, antwortete Ely. »Die Untersuchungen sind sehr schmerzhaft, wenn der Paarungsrausch einmal begonnen hat. Auf diese Weise musstest du nicht leiden.«
»Ich wäre schon klargekommen.« Sie konnte sich an keine Träume erinnern. Sie sah wieder zu Lance, konnte an seinem Gesicht aber nicht ablesen, ob sie im Schlaf etwas gesagt hatte oder nicht.
»Wie auch immer, die Tests sind nun abgeschlossen.« Ely zuckte mit den Schultern. »Du scheinst ganz gut in Form zu sein bis auf die leichte Anämie, unter der du noch immer leidest. Die Vitamine, die ich dir mitgegeben habe, hast du nicht genommen,
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