Brenda Joyce
aus
Sackleinen. »Hier ist für jedes Kind Kleidung zum Wechseln und ein Sonntagskleid.
Mary war sehr fromm.«
Francesca nahm den Beutel
entgegen und reichte ihn an Joel weiter. »Gibt es irgendjemanden sonst, der
Mary nahe stand? Jemand, mit dem ich mich unterhalten sollte?«
»Maggie
Kennedy war ihre Freundin. Sie könnten auch ein paar von den Frauen aus
der Schneiderei fragen.« Mrs Jadvic zuckte mit den Schultern.
»Sonst
gibt es niemanden?«, hakte Francesca nach.
»Na ja, da wäre noch ihr
Bruder«, erwiderte Mrs Jadvic. »Mike O'Donnell.«
Francesca betätigte den Türklopfer der Nr. 11 am Madison Square,
und beinahe sofort wurde die Tür von Braggs Kammerdiener geöffnet. Peter war
gut und gern zwei Meter groß, hatte breite Schultern und eine kräftige Statur,
blondes Haar und blaue Augen. Francesca vermutete, dass er Schwede war. Er
sprach nicht viel, obgleich er laut Bragg ziemlich gescheit war. Eigentlich war
er für Bragg eine Art »Mädchen für alles«. Als Francesca Peter zum ersten Mal
begegnet war, hatte sie ihn zunächst für einen Polizisten gehalten.
»Guten Tag, Peter«, sagte sie
jetzt fröhlich und umklammerte Katies und Dots Hände ein wenig fester. Sie
hatte den beiden Mädchen Lutscher gekauft, und sie waren eifrig damit
beschäftigt, daran zu lecken.
Peter
nickte und ließ seinen Blick von Francesca zu den beiden Kindern, dann zu der
Droschke, die auf der Straße wartete, und schließlich zu dem sackleinenen
Beutel in Joels Hand wandern.
»Es handelt sich um einen
Notfall, Peter«, erklärte Francesca. Sie nahm all ihren Mut zusammen,
marschierte mit den beiden Kindern um den großen Mann herum – was gar nicht so
leicht war – und betrat den schmalen Flur von Braggs Stadthaus. »Diese beiden
Mädchen hier sind obdachlos. Ich würde sie ja mit nach Hause nehmen, aber ich
befinde mich zurzeit leider in einem gewissen Dilemma, was meine Eltern angeht
– sie haben mir jegliche kriminalistischen
Tätigkeiten untersagt. Ich werde ein neues Zuhause für diese Kinder finden –
binnen einer Woche, das kann ich Ihnen versichern. Aber bis dahin« – sie
lächelte Peter strahlend an – »müssen die beiden hier bleiben. Ich werde ein
Kindermädchen vorbeischicken.«
Peters
Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Falls er überrascht oder bestürzt war,
so ließ er es sich nicht anmerken, sondern fragte lediglich: »Weiß der
Commissioner Bescheid?«
»Ich
befinde mich gerade auf dem Weg zum Polizeipräsidium, um ihn darüber in
Kenntnis zu setzen«, erwiderte sie betont fröhlich. »Sie kennen doch Bragg. Er
würde die beiden Mädchen niemals auf die Straße setzen. Ich bin mir sicher,
dass er sie mit offenen Armen willkommen heißen wird.«
Peter
sagte: »Bitte rufen Sie ihn an. Das Telefon befindet sich im Arbeitszimmer.« Er
machte auf dem Absatz kehrt und ging den Flur entlang voraus in Richtung
Arbeitszimmer, dessen Tür sich vor der zum Salon befand. Francesca ließ die
beiden Mädchen los, schloss die Eingangstür, damit niemand davonlaufen konnte,
und eilte hinter Peter her. »Peter!«
Er stand bereits am
Schreibtisch, und als Francesca vor ihn trat, reichte er ihr wortlos den
Telefonhörer.
Mit dem
Hörer in der Hand blickte sich Francesca in dem kleinen Zimmer um, das
intensive Erinnerungen in ihr lebendig werden ließ. Für einen kurzen Moment
stand sie nur reglos da.
In dem sparsam möblierten Raum
befanden sich lediglich ein Regal, der Schreibtisch, ein Stuhl, ein großer,
abgewetzter Lehnstuhl und ein Kamin. Francesca sah, dass Bragg immer noch drei
Bücherkisten auszupacken hatte. Als sie das letzte Mal in diesem Zimmer gewesen
war, hatte er sie gegen die Wand gepresst und leidenschaftlich geküsst.
Und am nächsten Tag hatte er
sich entschuldigt und ihr von Leigh Anne erzählt.
»Miss
Cahill?«
Sie zuckte
zusammen und wurde unsanft aus ihren Träumereien gerissen, die schmerzhaft und
süß zugleich gewesen waren. Sie legte den Hörer auf und sagte mit leiser Stimme:
»Hat Bragg Ihnen von der ermordeten Frau erzählt, die wir gestern Abend
gefunden haben?«
Er nickte.
»Ihr Name
ist Mary O'Shaunessy, und das da sind ihre Töchter.«
Wenn Peter überrascht war, so
ließ sich davon nichts am Blick seiner blauen Augen ablesen.
»Ich werde Bragg überzeugen,
dass er die beiden eine Weile lang hier behält. Es ist ja nur für ungefähr eine
Woche. Aber ich muss persönlich mit ihm reden.«
Peter reagierte immer noch
nicht, zuckte nicht einmal mit der
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