Brenda Joyce
wieder Mrs Jadvic zu.
Und sie würde dafür sorgen, dass die
Schwestern nicht getrennt wurden. »Wie lange können Sie sie noch hier
behalten?«, erkundigte sie sich.
»Ich kann
sie nich auch noch füttern. Ich hab ja nich mal genug zu essen für meine
eigenen », erwiderte Mrs Jadvic erschöpft. »Als Mary noch lebte, war das
anders. Sie hat mir jede Woche fünf Dollar für sie gegeben und ist jeden
Samstag spätabends nach Hause gekommen und Montagmorgen wieder zu den Jansons
zurückgegangen.«
Francesca
zog einen Stift und einen Notizblock aus ihrer Tasche und notierte sich den
Namen der Familie darauf. »Wissen Sie die Adresse der Jansons?«, fragte sie.
»Sie wohnen am Madison Square.
Nummer vierundzwanzig, glaub ich«, antwortete sie.
Francesca notierte sich auch
die Adresse. Auch Bragg wohnte dort. »Waren Sie ...«, hob sie an, verstummte dann
jedoch, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss.
Bragg
lebte am Madison Square mit seinem Kammerdiener Peter in einem sehr hübschen
Stadthaus. Er hatte mehrere Zimmer. Francesca fragte sich, ob er womöglich die
beiden Mädchen aufnehmen konnte, bis sie sie irgendwo anders untergebracht
hatte. Wahrscheinlich würde er im ersten Moment furchtbar wütend werden, aber
Francesca wusste, dass es ihr das Herz brechen würde, wenn die Kinder in ein
Waisenhaus gebracht werden müssten.
»Miss?«,
fragte Joel neugierig.
Francesca fuhr sich mit der
Zunge über die Lippen. »Mrs Jadvic, ist die Polizei schon hier gewesen?«
Die Frau nickte. »Aber ich war
nich zu Haus. Die wollten noch mal wiederkommen. Meine Schwiegermutter hat
ihnen das mit den Mädchen gesagt. Einer der Detectives meinte, er würde dafür
sorgen, dass sie weggeschafft werden, und wollte den zuständigen Leuten
Bescheid sagen.«
Als wären die Kinder ein Sack
Kartoffeln, dachte Francesca erbost. »Uns bleibt nicht viel Zeit«, murmelte
sie.
»Was?«,
fragte Joel.
»Mrs
Jadvic, könnten Sie bitte die Sachen der Kinder zusammenpacken? Ich werde sie
gut unterbringen, bis wir Pflegeeltern für die beiden gefunden haben.«
Francesca ging zu dem größeren der Mädchen mit dem hellbraunen Haar hinüber.
»Hallo, wie heißt du denn? Ich bin Francesca. Meine Nichte nennt mich Tante
Fran.«
Große blaue Augen sahen sie
misstrauisch an. Die Sechsjährige gab keinen Ton von sich.
»Das ist
Katie, und das da ist ihre Schwester Dot«, half Joel aus. Francesca strich
spontan über Katies Kopf, worauf das Mädchen instinktiv zurückwich. Ihr Blick
blieb argwöhnisch, sogar feindselig. Francesca lächelte Dot an. Der kleine
Blondschopf hatte sie beobachtet und erwiderte ihr Lächeln mit einem breiten
Grinsen, das jedes Herz zum Schmelzen gebracht hätte.
Schließlich
wandte sich Francesca wieder Mrs Jadvic zu. »Hat Mary vielleicht einmal
erwähnt, dass sie Angst vor etwas hat? Wusste sie, dass ihr Leben in Gefahr
ist?«
Mrs Jadvic
schüttelte den Kopf. »Nein. Sie war so glücklich mit ihrer neuen Arbeit. Sie
hat den Mädchen Essen und allerlei Tand mitgebracht und öfter mal vor sich
hingesummt.«
Als sie
dies hörte, war Francesca entschlossener als jemals zuvor, Marys Mörder seiner
gerechten Strafe zuzuführen. »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
»Sonntag«,
erwiderte Mrs Jadvic ohne zu zögern.
Francesca
ging durch den Kopf, dass sie selbst die Frau danach noch gesehen hatte,
nämlich am Dienstag zuvor. Vielleicht hatte Mary am Sonntag davor noch nicht
gewusst, dass ihr Leben in Gefahr war.
»Und was
ist mit ihrem Ehemann?«, fragte Francesca.
»Mir
gegenüber hat sie nie einen erwähnt.« Mrs Jadvic zögerte. »Ich glaube nicht,
dass die Mädchen denselben Vater haben.«
Francesca nickte und hoffte,
dass sie nicht rot wurde. »Wo hat Mary gearbeitet, bevor sie von den Jansons
eingestellt wurde? Und für wie lange?«
»Sie hat
zusammen mit vier anderen Näherinnen in 'ner kleinen Schneiderei gearbeitet.
Irgendwo in der Nähe vom Broadway, vielleicht auf der 18th Street. Sie war erst
seit ungefähr fünf oder sechs Wochen bei den Jansons. Die wissen das bestimmt
besser als ich«, fügte sie hinzu.
Mrs
Jadvics Schwiegermutter hatte inzwischen die Einkäufe ausgepackt, die aus
mehreren schrumpeligen Kartoffeln, einem altbackenen Laib Brot, drei Eiern und
einer dicken Scheibe Schinken bestanden. Francesca begriff, dass sie das
Abendessen vorbereiten wollte. Mrs Jadvic nahm zwei Mäntel von einem Wandhaken
und dazu noch einige Schals und reichte Francesca einen kleinen Beutel
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