Brenda Joyce
Lippen,
als sie auf ihn zukam. »Wie war das Essen?«
»Ich hatte ein ganz wundervolles Kabeljaugericht«, log sie. Dabei
hatte sie kaum einen Bissen hinunterbekommen.
Er stutzte und musterte sie mit
durchdringendem Blick, spürte, dass etwas nicht stimmte, doch sie eilte bereits
an ihm vorbei auf den Eingang des Gebäudes zu. Nach ihrem Gespräch war sie
verwirrter als jemals zuvor, denn Grace hatte recht: Sie wollte Calder Hart aus
den falschen Gründen heiraten, und das war nicht fair – niemandem gegenüber,
auch ihr selbst nicht. Aber sie mochte nicht darüber reden, am allerwenigsten
mit Bragg. War sie wirklich imstande, sich von Hart zu trennen?
Sie durfte jetzt nicht darüber nachdenken. Die
Arbeit wartete auf sie, und ihnen blieb nicht viel Zeit. Sie hatte Sarah
versprochen, um halb fünf bei ihr zu sein, um ihr Modell zu sitzen.
Bragg folgte ihr. »Die Familie wohnt tatsächlich hier. Ich habe
mit einigen Nachbarn gesprochen. Es ist die Wohnung Nummer vier.«
Francesca nickte. »Dann lass uns gehen.«
Er hielt sie am Arm zurück. »Du bist ja ganz außer dir. Was ist
denn geschehen?«
»Es geht mir gut.« Sie lächelte ihn
übertrieben strahlend an.
Er musterte sie. »Grace neigt dazu, allzu offen zu sprechen. Aber
sie meint es gut. Sie ist eine der gütigsten Frauen, die ich kenne.«
»Das weiß ich doch alles. Und nun lass uns nachsehen, ob John
Cooper daheim ist. Wir müssen die vermissten Kinder finden, Bragg.« Sie
befreite sich aus seinem Griff und betrat den Hausflur, ein kleines, schmales,
fensterloses Rechteck. Die Wohnung Nummer vier befand sich im zweiten Stock.
Francesca klopfte vernehmlich an die ramponierte Holztür, doch zu ihrer
Bestürzung blieb es drinnen still.
Niemand öffnete.
Nachdem sie noch zweimal geklopft hatte, wandte sie sich zu Bragg
um. »Es ist niemand zu Hause.«
Er erwiderte: »Lass uns trotzdem hineingehen.«
Sie sah ihn verblüfft an. Er probierte lächelnd den Türgriff, doch
die Tür war abgeschlossen. Daraufhin zog Bragg ein kleines Messer aus der
Brusttasche und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Nach wenigen
Augenblicken klackte es, und als erneut gegen die Tür drückte, gab diese nach.
»Nicht schlecht«, flüsterte Francesca. »Hast du Unterricht bei Joel genommen?«
Er kicherte. Sie traten ein und schlossen die Tür hinter sich. Die
Wohnung bestand aus einem einzigen Zimmer, das nicht in verschiedene
Schlafbereiche unterteilt war. Francesca beschlich sogleich ein unbehagliches
Gefühl. Da stand lediglich ein einziges Bett an der gegenüberliegenden Wand.
»Wo ist denn Bonnies Bett?«
»Ich weiß es nicht. Der Nachbar
sagte mir, dass sie seit einem halben Jahr hier wohnen.«
»Das ist eigenartig«, sagte
Francesca beunruhigt. An der Wand neben dem Bett hingen an Haken mehrere Kleidungsstücke,
die alle offensichtlich erwachsenen Personen gehörten. Francesca ging hinüber,
um sich zu vergewissern. »Hier hängt keine Kleidung für ein Kind.«
»Bonnie ist zwölf. Vielleicht ist sie groß für ihr Alter und trägt
schon Frauenkleider.«
In der Nähe des Bettes stand außerdem eine wackelige, fleckige
Kommode. Francesca öffnete die Schubladen und fand darin hübsches Leinen, das
die Coopers ein Vermögen gekostet haben musste, sowie einigen Krimskrams. Dann
entdeckte sie die Lumpenpuppe und nahm sie heraus. »Ein Beweis, dass es ein
Kind gegeben hat.«
Bragg durchsuchte derweil zwei Regalbretter in der Kochecke und
hielt zwei silberne Kerzenleuchter in die Höhe. »Wenn mich nicht alles täuscht,
macht da jemand wieder seine alten Mätzchen«, sagte er.
Francesca hielt die Puppe
umklammert. »Wo sind ihre Kleider? Wo ist ihr Bett? Warum macht diese Wohnung
den Eindruck, als gehörte sie einem kinderlosen Ehepaar?«
»Vielleicht besteht Mrs Coopers
Art zu trauern darin, alle Spuren ihrer Tochter zu tilgen.«
»Hier scheint mir etwas faul zu sein«, stellte Francesca grimmig
fest.
Plötzlich hörten sie Schritte
draußen im Flur. Francesca erstarrte, und im nächsten Moment erschien im
Türrahmen ein Mann mit breiter Brust und einem mächtigen Bart. »Was zum Teufel
haben Sie hier zu suchen?«, schrie er wütend. Bragg trat rasch vor Francesca.
»John Cooper?«
»Sind Sie
etwa ein Polyp?«, wollte der Mann wissen.
»Ich fürchte, ja«, entgegnete Bragg gelassen. »Sind Sie John
Cooper?«
Der Mann starrte ihn missmutig an und nickte dann. »Haben Sie
'nen Durchsuchungsbeschluss?«, fragte er.
»Nein, aber ich kann einen mit dem
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