Brenda Joyce
Letzterer
war sein Cousin.
Francesca hatte den Opernbesuch völlig vergessen. Hart hatte ihn
am vorigen Abend auf dem Heimweg erwähnt, und sie hatte die Einladung
angenommen.
»Es soll sich um die beste Inszenierung von La Boheme seit
vielen Jahren handeln. Wir haben eine Loge. Sie sind herzlich willkommen, sich
uns anzuschließen«, setzte er gelassen hinzu.
Francescas Herz schlug schneller. Wollte Rourke lediglich höflich
sein? Oder hatte er tatsächlich Interesse an Sarah? Francesca vermochte es
nicht zu entscheiden, denn sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging.
Sarah jedoch errötete schon wieder.
»Wir könnten Sie abholen«, fügte er hinzu.
Dieses Angebot konnte Sarah unmöglich ausschlagen. Der Mann hatte
funkelnde, bernsteinfarbene Augen, ein entzückendes Grübchen am Kinn und einen
Körper, nach dem sich jede Frau nur sehnen konnte. Francesca lächelte
zufrieden. »Ich hatte vor, heute Abend zu malen«, erwiderte Sarah und mied
seinen Blick. »Francesca, wir müssen nun aber wirklich anfangen.«
Francesca hätte sie ohrfeigen mögen. Wie konnte Sarah nur solch
eine Närrin sein? »Ach, Sarah, komm doch mit! Ich wäre in der Gesellschaft von
drei solchen Lebemännern ja allein hoffnungslos verloren!« D'Archand war zwar
erst achtzehn Jahre alt, aber schon ein berüchtigter Schürzenjäger. »Bitte«,
fügte sie hinzu.
Sarah sah sie an. Sie schien bedrückt. »Ich muss wirklich an
deinem Porträt arbeiten«, sagte sie leise.
Francesca bedachte sie mit einem ungläubigen Blick. Rourke mischte
sich beschwichtigend ein: »Schon gut. Ich habe Verständnis dafür. Und ich muss
Ihnen zustimmen – es wird gewiss ein ganz wundervolles Porträt werden.« Er
wandte sich Francesca zu und sagte: »Wir sehen uns dann später.«
Francesca blickte ihn forschend
an. Falls er sich zurückgewiesen fühlte, so ließ er es sich nicht anmerken.
Er nickte Sarah zum Abschied zu
und schritt hinaus. Für einen Moment blieb es still im Atelier.
Francesca wandte sich aufgebracht zu Sarah um, doch als sie sah,
wie unglücklich diese wirkte, verflog ihre Wut rasch wieder. »Ist alles in
Ordnung?«
Sarah zwang sich zu einem Lächeln. »Es geht mir gut. Ich war nur
überrascht, ihn hier zu sehen. Ich wusste gar nicht, dass er in der Stadt ist.«
Ehe sie sich abwenden konnte, packte
Francesca ihre Freundin am Arm. »Überleg es dir noch einmal. Komm mit uns.«
»Ich halte
das für keine gute Idee.«
»Magst du Rourke denn nicht? Ist er nicht hinreißend? Und nett?«,
rief sie. »Er wird schon bald ein wunderbarer Arzt sein, Sarah, und auch wenn
ich weiß, dass du nicht an einer Ehe interessiert bist, so ist er doch ein
Fang! Lange wird er gewiss nicht mehr zu haben sein!«
Sarah entzog sich Francescas
Griff und sah sie mit großen Augen an. »Was soll denn das alles? Was hat sein
Aussehen damit zu tun? Und ja, du hast recht, ich bezweifele nicht, dass er
schon bald die Frau seiner Träume finden wird.«
»Ich glaube, er mag dich«,
sagte Francesca.
»Das ist doch absurd«, entgegnete Sarah. »Er wollte nur höflich
sein. Außerdem sind wir beide praktisch Schwestern«, fügte sie verdrossen
hinzu. »Was der Grund für seine Freundlichkeit mir gegenüber sein dürfte.
Francesca, er ist ein Charmeur, das ist doch offensichtlich. Ich bin mir
sicher, dass es seinetwegen in Philadelphia viele gebrochene Herzen gibt.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Francesca in eindringlichem
Ton. »Ich weiß sogar aus erster Hand, dass er in keine Frau verliebt ist.«
»Du hast ihn danach gefragt?«, fragte Sarah
bestürzt.
Francesca nickte und lächelte durchtrieben.
»Francesca, bitte unterlasse das! Ich weiß, du meinst es gut, aber
du tust mir damit wirklich keinen Gefallen! Ich interessiere mich nur für
meine Kunst. Und ich werde mich bestimmt nicht zum Narren machen, indem ich
einem Mann wie ihm nachlaufe. Es ist doch verrückt, zu glauben, dass er mich
überhaupt als Frau wahrnimmt. Also, könnten wir jetzt bitte endlich anfangen?«
Es war, als redete man gegen eine Wand. Francesca ließ das Thema
vorerst ruhen, gab jedoch keineswegs auf, sondern begann insgeheim einen Plan
zu schmieden.
Er stand vor dem Frisiertisch aus Kirschholz und blickte in den
Spiegel, um seine Fliege zu binden. Von dem Ankleideraum aus hörte er Katies
leise Stimme und Dots fröhliches Kichern. Die Mädchen spielten mit zwei neuen
Puppen, die Leigh Anne ihnen erst kürzlich gekauft hatte.
Er blickte aus dem Ankleidezimmer zu der
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