Brenda Joyce
kleinen Schwester teilte, und vergrub das Gesicht im Kissen. Dot hatte
endlich aufgehört zu weinen. Bragg ließ sich auf der Bettkante nieder
und setzte die Kleine vorsichtig auf das Bett. Dot betrachtete ihre Schwester
neugierig. »Kat traurig«, verkündete sie bedrückt.
Bragg streckte die Hand aus und streichelte Katies mageren Rücken,
der vor erstickten Schluchzern bebte.
»Katie? Ich habe dich gerade angelogen. Es tut mir leid.« Das
Beben, das ihren schmalen Körper schüttelte, ließ nach. »Können wir darüber
reden?«, fragte er und fühlte sich furchtbar hilflos. Wenn er doch nur ein
echter Vater wäre. Allein sein Instinkt und seine Liebe zu den Kindern vermochten
ihn nun zu leiten.
Katie nickte in ihr Kissen.
»Es würde helfen, wenn du dich aufsetzen würdest«, sagte er mit
sanfter Stimme und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Würdest du das für
mich tun?«
Sie gehorchte und sah ihn mit großen,
ängstlichen Augen an.
Er fragte sich, wann er wohl begonnen hatte, diese beiden Kinder
zu lieben. »Es tut mir so leid«, setzte er an, und zu seinem Entsetzen versagte
ihm die Stimme.
Katies
Augen wurden noch größer.
Er rang um Fassung – Männer weinten schließlich nicht. Erst recht
nicht um selbstsüchtige Ehefrauen, die nichts weiter waren als bessere Huren.
Katie
griff nach seiner Hand und hielt sie fest.
Das hätte ihn um ein Haar
vollends aus der Fassung gebracht. Krampfhaft rang er um Beherrschung, bis er
schließlich herausbrachte: »Ich weiß nicht, wo Mrs Bragg ist.« Katie schnappte
entgeistert nach Luft. »Aber sie kommt doch wieder nach Hause, oder?«
»Ich weiß
es nicht«, gestand er.
Katie begann zu wimmern. »Mommy ist auch nicht mehr nach Hause
gekommen. Mommy konnte nicht mehr nach Hause kommen, weil sie tot war.«
Dot begann zu heulen, als hätte sie das Gespräch verstanden. Es
war ein kläglicher, gequälter Laut, wie das Heulen eines verwundeten Tieres.
Bragg zog sie in seine Arme. »Ich bin mir sicher, dass es Mrs Bragg gut geht.«
»Und warum kommt sie dann nicht nach Hause?«, fragte Katie.
Er
zögerte. »Das ist nicht so leicht zu erklären.«
Katie schien kurz davor, in Tränen auszubrechen. »Sie ist tot,
nicht wahr?«
Er packte ihre Hand. »Sie kommt
wegen mir nicht wieder nach Hause, mein Schatz. Es hat nichts mit euch beiden
zu tun. Es ist meinetwegen.«
»Das
versteh ich nicht.«
Er zögerte, suchte nach Worten. »Manchmal verändern sich die Dinge
in einer Ehe. Manchmal verlassen Frauen ihre Männer.«
Katie
starrte ihn an. »Aber warum denn?«
Er
erstarrte. »Weil sie mich nicht liebt.«
Katies Augen nahmen einen
ungläubigen Ausdruck an. »Doch, Mr Bragg, sie liebt Sie. Und ich hab gedacht,
dass sie uns auch liebt.« Tränen kullerten über ihre Wangen. Ihm fehlten die
Worte. Stumm zog er Katie an seine Seite und drückte die beiden Mädchen lange
Zeit an sich.
Der Schmerz
war entsetzlich.
»Blutdruck?«
»110 zu 50, Herr Doktor.«
Wo war sie? O Gott, dieser Schmerz. Von ihren
Beinen aufwärts fühlte sie ein einziges Brennen, als stünde ihr ganzer Körper
vor Schmerz in Flammen, und das Atmen fiel ihr so schwer. Sie bekam keine Lug!
Sie würde ersticken! Lieber Himmel, was war nur geschehen? Wo war sie? Panik
überkam sie, gefolgt von blankem Entsetzen.
Ein
Unfall war geschehen, ein schrecklicher Unfall.
Sie
war von einer Kutsche überfahren worden.
O Gott. Mit einem Schlag fiel ihr alles wieder
ein, sie sah jedes Detail vor sich: die Augen des Pferdes, ihren Sturz, wie sie
auf dem Pflaster aufgeschlagen war, wie die Kutschenräder auf sie zurollten
...
Sie
war überfahren worden.
Musste
sie jetzt sterben?
Sie sah sein Bild vor sich, er lächelte sie an, und in seinen
Augen lag ein so warmer Ausdruck. Dann folgten die Mädchen, ihre beiden
hübschen Mädchen, und auch sie lächelten.
»Weiß
irgendjemand, wer sie ist? Klemme.«
Da war wieder diese Stimme, so voller Autorität, die durch den
Schmerz, das Brennen, die Kälte, die Dunkelheit drang.
Sie war in einem Krankenhaus – für einen kurzen
Augenblick war sie erleichtert. Aber der Doktor wusste nicht, wer sie war. Sie
musste es ihm sagen! Denn sie brauchte Rick ...
»Sauger.
Verdammt, Brad.«
Sie musste sprechen. Sie war Mrs Rick Bragg. Wo war Rick? Sie
brauchte ihn jetzt.
»Wir kümmern uns darum. Es war ein Kutschenunfall. Sie wurde auf
dem Bürgersteig überfahren.«
»Keine
Visitenkarten?«
»Nein, Doktor. Aber so, wie es aussieht, ist sie eine Dame. Haben
Sie
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