Brenda Joyce
getupft. Als sie sich dem
Frühstückszimmer näherte, das gemütlich und intim war im Vergleich zu dem
Esszimmer, in dem ihre Mutter regelmäßig Abendgesellschaften für vierzig oder
fünfzig Gäste gab, bemerkte sie sogleich, dass etwas anders war als sonst. Ihr
Vater und Evan unterhielten sich mit lauten, erhobenen Stimmen, schienen sich
aber nicht zu streiten. Francesca öffnete die Tür und trat ein.
»Weshalb
schreit ihr denn so?«, fragte sie neugierig.
»Sieh dir das an, Fran!«, rief Evan und deutete auf die Times, die
vor ihnen auf dem Tisch lag.
Cahill erhob sich und reichte seiner Tochter
die Zeitung. »Burtons Junge ist entführt worden«, sagte er mit grimmiger Miene.
Francesca
starrte auf die Schlagzeile auf dem Titelblatt.
BURTON-ERBE ENTFÜHRT
Francesca
schnappte nach Luft und las dann den Untertitel laut vor. »Junge
verschwindet mitten in der Nacht.« Sie blickte fassungslos auf.
»Ich bin mir sicher, dass sich die Polizei der Sache bereits angenommen
hat«, sagte Cahill. »Aber ich fühle mich genötigt, alles in meiner Macht
Stehende zu tun, um ihnen zu helfen. Vielleicht sollten wir das Büro des
Bezirkspolizeichefs verständigen. Die Burtons werden bestimmt für jede Hilfe
dankbar sein, die sie bekommen können.«
»Gehst du zu ihnen hinüber? Ich werde dich begleiten«, sagte Evan
grimmig.
»Wir sollten ihnen sämtliche Hilfe und
Unterstützung anbieten, die wir aufbringen können. Diese Entführung ist
wirklich eine Abscheulichkeit!«, rief Cahill.
Als ihr Vater und Evan den Raum verlassen hatten, las Francesca
den Artikel über die Entführung zu Ende. Es hieß, dass der sechsjährige
Jonathan Burton – einer von zwei Zwillingsbrüdern
– mitten in der Nacht aus seinem Bett verschwunden war. Seine Eltern seien zu
der Zeit, als das Verbrechen geschah, zu Besuch auf einem Ball bei den Nachbarn
gewesen, im Hause des Millionärs Andrew Cahill. Sie hatten erst bei ihrer
Rückkehr festgestellt, dass eines der Kinder verschwunden war. Nachdem sie den
Artikel zu Ende gelesen hatte, legte Francesca die Zeitung wieder auf den
Tisch.
Sie konnte es kaum fassen, dass zur selben
Zeit, als Eliza Burton auf dem Ball gelacht und getanzt hatte, ein Verbrecher
in ihr Haus eingedrungen war und einen der Zwillinge entführt hatte. Die
Vorstellung machte Francesca ganz krank. Sie kannte die beiden Schlingel –
Jonathan und James – sehr gut. Erst wenige Tage zuvor hatte sie Jonny im
Central Park auf ihrem Pferd mitreiten lassen – der kleine Junge hatte vor ihr
gesessen, sodass sie ihn gut fest halten konnte. Und war es im letzten Sommer
gewesen, als James einen Käfer in ihre Limonade geworfen hatte?
Eliza muss vor Angst außer sich sein, dachte Francesca, den Tränen
nahe.
A steht für Ameisen ...
Francesca erstarrte. Und dann rannte sie in
die Bibliothek.
Während
sie durch das Haus eilte, schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. Jener
Brief, den sie am Vorabend entdeckt und den sie inzwischen völlig vergessen
hatte, musste den verschwundenen Jungen der Burtons betreffen. Aber warum war
er auf dem Schreibtisch ihres Vaters zurückgelassen worden? Warum nicht bei
den Burtons?
Sie blieb abrupt stehen, als ihr etwas
Unglaubliches dämmerte. Wer auch immer Jonny entführt hatte, er oder sein Komplize
mussten am Abend auf dem Ball gewesen sein!
Francesca rannte weiter den Korridor hinunter, stürmte in die
Bibliothek, eilte auf den Schreibtisch zu und suchte in der Post nach dem Umschlag, den sie am Abend zuvor zwischen den anderen
Briefen versteckt hatte. Wo zum Teufel war er nur?
Nachdem sie den Umschlag mit
dem Wort »Dringend« auf der Vorderseite endlich gefunden hatte, rannte sie
durch den Flur zurück zur Eingangshalle.
Sie riss die Haustür auf und stürmte die imposante Kalksteintreppe
der Cahill-Villa hinunter, wobei sie darauf achtete, nicht auszurutschen und
hinzufallen.
»Miss! Ihr Mantel! Ihr Hut! Ihre Handschuhe!«,
rief einer der Dienstboten hinter ihr her. Francesca beachtete ihn nicht, sondern eilte weiter. Erst als sie die Auffahrt
hinunterrannte, die bereits vom Schnee freigeschaufelt worden war, spürte
sie, wie eisig die Luft war. Das Haus der Burtons lag direkt neben dem der Cahills, doch im Gegensatz zu diesem hatte das dreistöckige Gebäude keinen Vorgarten,
sondern stand direkt an der Straße. Vor der breiten Treppe, die zur
Haustür hinaufführte, standen jetzt drei uniformierte Polizisten in ihren
blauen Serge-Mänteln mit den Messingknöpfen und mit
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