Brenda Joyce
war wirklich ein skrupelloser Kerl. »Ich hab Cooper nich umgebracht,
Lady. Das war der alte Shoz Savage.« Und höhnisch fügte er hinzu: »Aber ich hab
gesehen, wie er's gemacht hat.«
Francesca richtete sich langsam auf.
Wenigstens hatte die verletzte Frau inzwischen aufgehört zu wimmern. Sie lag
noch immer auf der Seite, beobachtete die beiden nun jedoch mit einer
Faszination, wie sie für gewöhnlich nur angreifenden Klapperschlangen zuteil
wird. Francesca hatte versucht, Craddock auszuhorchen, und leider sagte ihr
Gefühl ihr, dass er die Wahrheit sprach.
»Ich sag, Sie sollen liegen
bleiben!«
»Ich habe mit dem Gefängnisdirektor Timbull
gesprochen«, wandte Francesca ein. »Es gab keine Zeugen für den Mord.«
»O doch, und ob es welche gab. Sogar einundsiebzig Zeugen, die
Wachen nicht mitgezählt.«
Francesca riss erstaunt die Augen auf. »Sie meinen – das ganze
Gefängnis hat zugesehen, wie der Mann gefoltert und getötet wurde?«
»Sogar der olle Timbull war
dabei und hat das Spektakel genossen«, bestätigte Craddock mit gehässigem
Grinsen. Francesca wurde übel.
»Jetzt fallen Sie bloß nich in Ohnmacht. Verraten Sie mir lieber,
wer zum Teufel Sie sind.«
Francesca dachte fieberhaft nach. Da ihre
Familie vermögend war, konnte die Wahrheit ihr das Leben retten – er konnte
Lösegeld für sie fordern anstatt für Chrissy. »Francesca Cahill«, sagte sie.
»Cahill? Wie Arthur Cahill, der Schlachthof-Typ?« Er beäugte sie
skeptisch.
»Mein Vater heißt Andrew Cahill, und sein Gewerbe ist Fleischverarbeitung,
nicht Schlachterei«, erwiderte sie.
Er begann zu grinsen. »Na schön – sieht aus, als ob doch noch nich
alles verdorben is.« Er wandte sich an die am Boden liegende Frau. »Was
meinte, Lulabelle? Da is mir ein kostbares Vögelchen ins Netz gegangen, wie?«
Seine Augen wurden schmal. »Vielleicht find ich doch noch eine Möglichkeit,
meine Rechnung mit Shoz zu begleichen.« Er grinste.
Lulabelle setzte sich auf.
»Kann ich gehen?«, flüsterte sie.
»Nein, kannste nich!«, schrie
er und griff nach ihr.
Francesca erkannte ihre Chance. Während er sich niederbeugte, um
die Frau hochzuzerren und weiß Gott was mit ihr anzustellen, stürmte sie an ihm
vorbei zur Tür und begann um Hilfe zu schreien.
Er stieß einen Fluch aus.
Sie riss die Tür auf. »Hilfe! Bragg! Zu Hilfe!« Schneller, als sie
jemals zuvor gerannt war, stürmte sie den kurzen Gang zur Treppe entlang.
Eine Kugel pfiff an ihrem Ohr vorbei.
Sie erreichte die Stufen, doch dann stolperte
sie und stürzte.
Er fing sie auf der dritten Stufe auf, packte
sie mit einem Arm um die Taille und zog sie an sich. Dann stieß er ihr den Lauf
seiner Waffe gegen die Schläfe. »Keine Bewegung, Flittchen«, zischte er.
Francesca erstarrte. Im selben Moment erblickte sie am Fuß der
Treppe Hart und Nicholas.
»Bleiben Sie ganz still stehen«, sagte Hart ruhig. Er lächelte ihr
ein wenig zu, und ihre Blicke trafen sich. Es gelang ihm tatsächlich, sie zu
beruhigen – auf einmal empfand sie eine eigentümliche Gewissheit, dass er sie
gleich retten würde.
Nicholas zielte mit einer Pistole auf
Craddock, Harts Hände hingegen waren leer. Nur eine kleine lederne Reisetasche
stand zu seinen Füßen. Die Pokerspieler aus dem Hinterzimmer waren inzwischen
in die Schankstube gekommen und hatten sich in einem ungleichmäßigen Halbkreis
hinter Hart und Nicholas versammelt. Im nächsten Moment flog die Eingangstür
auf, und Bragg stand auf der Schwelle, einen Revolver in der Hand. Hinter ihm
erschienen nacheinander Shoz, Rourke und Rathe. Beinahe gleichzeitig erfassten
die Männer die Situation und erstarrten. Bragg durchbohrte Francesca förmlich
mit seinem Blick.
»Joel ist mit Chrissy entkommen!«, rief
Francesca.
Seine Augen weiteten sich.
Craddock rammte ihr den Revolverlauf so heftig gegen die Schläfe,
dass es sie schwindelte und ihr schwarz vor Augen wurde. »Halten Sie die
Klappe, verdammt.«
»Wenn Sie ihr etwas antun, gehen Sie leer aus«, sagte Hart mit
seiner ruhigen, aber unglaublich gebieterischen Stimme.
Bragg war neben seinen Halbbruder getreten. »Craddock, das Spiel
ist aus. Ich bin Rick Bragg. Sie sind umstellt. Lassen Sie Miss Cahill
augenblicklich los, dann können Sie unbehelligt gehen.«
Craddock packte Francesca fester. Sie unterdrückte ein Wimmern.
»Den Teufel werd ich. Sieh an, sieh an – wenn das nich mein alter Freund und
Partner Shoz Savage is.«
Francesca stockte der Atem. Tatsächlich, da stand
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