Brenda Joyce
noch einmal
jemandem Zugang zu den Akten verschaffen, werde ich Sie vom Dienst
suspendieren.« Er nickte Francesca zu. »Guten Tag, Miss Cahill.«
Das war eine
unmissverständliche Aufforderung zu gehen.
»Guten Tag«, erwiderte sie und
beobachtete angespannt, wie sich der Polizeichef die Akte unter den Arm klemmte
und davonging. Nachdem er fort war, wandte sie sich zerknirscht an Shea und
Tom. »Es tut mir so Leid.«
Shea errötete. »Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Miss
Cahill. Jetzt muss ich aber wieder meine Arbeit tun.« Er wandte sich ab.
Sie fühlte sich wie eine Aussätzige. Und dann spürte sie, dass
jemand sie erneut von hinten anblickte.
Ihr war augenblicklich klar, wer. Langsam
drehte sie sich um.
Bragg stand reglos an der Eingangstür, mit
seinem dunkelbraunen Mantel bekleidet. Francesca fragte sich, wie lange er
schon dort gestanden hatte und wie viel er mit angehört haben mochte. Trotz
der furchtbaren Ereignisse des vergangenen Abends war sie ungemein erleichtert,
ihn zu sehen. Doch sie brachte kein Lächeln zustande.
Er kam mit ernster Miene auf sie zu. »Guten
Morgen.«
»Guten Morgen, Bragg. Ich fürchte, ich habe Shea und Tom in Schwierigkeiten
gebracht.« Sie suchte in seinen Augen nach einem Zeichen dafür, dass er seine
Meinung geändert hatte – dass er sie viel zu sehr liebte, als dass er ihre
Freundschaft hätte beenden können. Doch was sie sah, enttäuschte ihre Hoffnungen
– er wirkte zutiefst düster.
Außerdem sah er aus, als hätte er sich den größten Teil der Nacht
schlaflos herumgewälzt.
»Das habe
ich gehört«, versetzte er trocken.
»Aber Sie werden die beiden doch schützen, nicht wahr?«, fragte
Francesca rasch.
»Ich habe nicht die Absicht, mich als Farrs Kindermädchen aufzuspielen.
Er leitet diese Behörde, ich habe lediglich die Oberaufsicht«, entgegnete
Bragg. »Es ist wichtig, dass er sich Respekt verschafft und Vorschriften
durchsetzt.«
Francesca verstand, doch zugleich graute ihr bei der Vorstellung.
»Ich traue ihm nicht.«
»Es liegt nicht bei Ihnen, ihm zu trauen oder zu misstrauen«, wies
Bragg sie zurecht. »Und offen gestanden gebe ich ihm Recht. Keine andere Zivilperson könnte hier hereinspazieren und
meine Männer bezirzen, um sich Einblick in unsere Akten zu verschaffen.« Er sah
alles andere als glücklich aus. Francesca begriff, dass er sich selbst Vorwürfe
machte.
»Ich dachte
nicht, dass Sie etwas dagegen hätten.«
»Es gibt
Vorschriften, Francesca«, erwiderte er müde.
Sie hatte das Gefühl, dass er ihr entglitt.
Aber das konnte doch nicht sein! »Es tut mir Leid.« Sie zögerte, ehe sie
hinzusetzte: »Aber es ist doch schon so viel Gutes daraus entstanden. Wir haben
Randalls Mörder und den Kreuzmörder dingfest gemacht, und nicht zu vergessen,
wir haben Jonny Burton lebend gefunden.«
»Ich weiß.« Allmählich fiel die schroffe Haltung von ihm ab. »Aber
es gibt nun einmal Vorschriften – und wir beide haben dagegen verstoßen.« Mit
gesenkter Stimme, sodass nur Francesca und Joel ihn hören konnten, fügte er
hinzu: »Eine Auswirkung unserer Freundschaft.«
Sie
starrte ihn verzweifelt an.
Er schwieg einen Moment lang, ehe er ebenso leise fragte: »Wie
geht es Ihnen?«
»Nicht
besonders gut«, gestand sie. »Und Ihnen?«
»Ich habe kaum geschlafen«, erwiderte er und warf ihr einen
vielsagenden Blick zu. »Neuerdings fällt es mir schwer, Schlaf zu finden. Ich
hasse es, mit Ihnen zu streiten, Francesca.«
»Dann lassen Sie uns in Zukunft nicht mehr
streiten«, flüsterte sie.
Er zeigte den Ansatz eines Lächelns. Dann wandte er sich an Joel.
»Hallo, Junge.«
Joel warf
ihm einen finsteren Blick zu.
»Ich werde nicht bis in alle Ewigkeit ein Polyp bleiben, weißt
du«, sagte Bragg.
»Aber jetzt sind Sie der König von denen,
nicht wahr?« Joel funkelte ihn an. Nachdem er fast sein ganzes bisheriges Leben
lang Scherereien mit der Polizei gehabt hatte, konnte er niemandem etwas
abgewinnen, der mit der Behörde in Verbindung stand.
Francesca seufzte. »Irgendwann erzähle ich dir
einmal, was Bragg als Anwalt geleistet hat, ehe er Polizeipräsident wurde«,
sagte sie. »Vielleicht änderst du dann deine Meinung über ihn.«
Joel
zuckte nur mit den Schultern.
Bragg blickte sie forschend an. »Sie sind also hinter einem gewissen
Joseph Craddock her«, stellte er nüchtern fest. »Einem Mann, der hier im Staat
New York acht Jahre im Gefängnis zugebracht hat.«
»Das haben
Sie mitgehört?«
Bragg nickte. »Mir
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