Brenda Joyce
ich erschöpft
bin, werde ich hin und wieder ein wenig grimmig.« Dann fügte er hinzu. »Außerdem
hatte ich ja nun ein wenig Zeit, um mich daran zu gewöhnen, dass Sie jedes Mal
hinter mir zu stehen scheinen, wenn ich mich umdrehe.« Seine Augen funkelten.
»Sie haben mich um Hilfe gebeten«, betonte sie und biss sich sogleich auf die
Lippe.
»Ja, das
habe ich.« Er blickte zur Seite, als wolle er vermeiden, ihr in die Augen zu
sehen. Joel hatte ja so Recht gehabt!
»Bragg,
haben Sie schon einen Blick in die Morgenzeitungen geworfen?«
»Ja, das habe ich.«
Das überraschte sie.
»Ich lerne schnell, Francesca. Und ich habe
während der Burton-Entführung gelernt, dass es klug ist, sich ein dickes Fell
zuzulegen. Ich muss das tun, was ich für richtig halte, wenn ich in meinem Amt
erfolgreich sein will. Wenn ich es zulasse, mir von einem sensationslustigen
Reporter den Tag verderben zu lassen, kann ich mir auch gleich eine neue
Anstellung suchen.« Sie fühlte mit ihm. Er trug eine so große Verantwortung und
wurde von der Presse so ungerecht behandelt! Aber das war wohl bei einer
Position, die dermaßen im Licht der Öffentlichkeit stand und so umstritten
war, nicht zu vermeiden. »Werden Sie sich von der Randall-Untersuchung
zurückziehen, Bragg?«
Er
lächelte. »Nein.«
»Kurland
würde Hart am liebsten aufknüpfen lassen.«
»Das glaube
ich nicht. Kurland will nur Zeitungen verkaufen.« Er ließ seinen Blick noch
einen Augenblick auf ihr ruhen, schloss dann die Beifahrertür und schritt zur
Vorderseite des Automobils.
Francesca durchlief ein freudiger Schauer. Braggs Blick war so
unglaublich herzlich gewesen, das hatte sie sich auf gar keinen Fall
eingebildet! Er mochte sie, da war sie sich sicher. Zu gern hätte sie ihn
gefragt, was ihn zurückhielt, doch sie fürchtete die Antwort darauf viel zu
sehr. Und so sah sie zu, wie er den Motor ankurbelte, bis er ansprang.
Dann eilte er zur Fahrerseite,
stieg in den Wagen und fuhr los. »Warum haben Sie mich mit Mrs Randall und
ihrer Tochter allein gelassen?«, fragte Francesca.
Er blickte über seine Schulter zurück, überholte einen Vierspänner
und ordnete sich vor einem altmodischen Gig wieder ein. »Ich glaube, Sie
wissen, warum.«
»Wahrscheinlich hatten Sie das Gefühl, ich würde mehr Erfolg bei
den beiden Frauen haben als Sie.«
Er grinste.
»Und was haben Sie herausgefunden?«
»Hart hat
Randall erpresst.«
Bragg wäre beinahe in eine Straßenbahn gekracht. »Francesca!
Müssen Sie immer so drastisch sein?«
»Tut mir
Leid.«
»Bitte etwas ausführlicher.« Er fuhr
langsamer, da sie sich der verkehrsreichen Kreuzung an der Fourth Avenue
näherten. Ein Polizist erblickte den Daimler, erkannte ihn ganz offenbar und
hielt den anderen Verkehr an, um Bragg durchzuwinken.
»Mary sagt, sie habe gehört, wie sich ihr
Vater und Hart am Morgen des Mordtages vor dem Haus gestritten haben. Sie behauptet,
Hart hätte Randall erpresst und dass es bei dem Streit um Geld gegangen sei.«
Sie sah Bragg von der Seite an. Er erwiderte ihren Blick. »Das ist unmöglich.«
»Dass Hart seinen eigenen Vater erpresst?«
»Nein. Es ist unmöglich, dass sie sich am Freitagmorgen hier in
New York gestritten haben.«
Francesca wandte sich ihm auf ihrem Sitz halb zu. »Warum?«
»Weil Hart frühestens am Nachmittag in der Stadt eingetroffen
sein kann. Ich weiß, dass er geschäftlich in Baltimore zu tun hatte, da ich ihn
dort am Donnerstagabend mit eigenen Augen gesehen habe – ich war selbst in
einer Dienstangelegenheit dort. Und nach elf Uhr abends fahren keine Züge mehr
Richtung Norden, nach New York.«
»Sind Sie sich da sicher?«, fragte Francesca, der die Bedeutung
seiner Worte langsam klar wurde.
»Ja.«
Sie fragte sich, was ihn wohl zu diesem kurzen Aufenthalt in
Baltimore bewogen haben mochte. »Bragg, das bedeutet, dass Mary lügt, das ist
Ihnen doch wohl klar?«
»Allerdings. Und interessanterweise hat sie sich entschieden, Ihnen diese Lüge aufzutischen. Mir hat sie kein Wort davon gesagt.« Er warf ihr
einen langen Blick zu.
»Was auch immer das bedeuten mag«, gab Francesca zurück. Es war
unmöglich, nicht das Gefühl zu haben, dass sie zusammenarbeiteten. Sie
diskutierten den Fall in aller Offenheit, und Bragg erweckte in keiner Weise
den Eindruck, als wolle er sie ausschließen, ganz im Gegenteil. In diesem
Augenblick war Francesca einfach nur glücklich, bei ihm zu sein.
Sie hätte sich nicht gewundert, wenn plötzlich die Vögel um
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