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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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uns vor, wie sie weit oben am Himmel Feuer fingen (Feindbeschuss) und plötzlich sanken, immer schneller nach unten gezogen wurden, ins Trudeln und Straucheln kamen, den Bäumen ihre Wipfel kappten und beim Aufprall in einem riesigen Feuerball verglühten. Einigen blieb dieses Schicksal erspart, sie rissen Schneisen in den Wald (die mit den Jahren zuwucherten) und hielten irgendwann inne, dampften und knisterten und rochen nach Kerosin. Die verletzten Piloten krochen ins Freie (könnte doch so passiert sein!) und humpelten in den Wald, sie suchten Schutz in den Büschen, hinterließen blutige Spuren und Fährten. Einige Burschen streiften sich die löchrigen Uniformen über (die mit den vielen Abzeichen waren am beliebtesten) und nahmen in den Maschinen Platz, sieklemmten sich hinter die Steuerknüppel, und ihre heiseren Schreie durchdrangen den Wald,
zum Angriff, vorwärts
oder Ähnliches brüllten sie.
    Im Wald war es still,
im Wald muss man still sein,
sagte der Onkel früher zu mir,
damit einem nichts entgeht,
zu vieles hätte sich schon verflüchtigt, ohne dass je einer davon Notiz genommen hätte.
Wer im Wald zu viele Worte macht, erliegt der Eitelkeit, schreckt junge Vögel auf und begibt sich unnötig in Gefahr, weil sich alles an einen anschleichen kann, ohne groß aufzufallen.
    Nicht alle hielten sich daran … Die Kinder, Jäger und Soldaten, sie hinterließen ganze Geräuschkulissen zwischen den Stämmen, ratternde Gewehre und allerlei abfälliges Getöse. Ich selbst sprach im Wald immerzu mit gesenkter Stimme, es wäre mir nie in den Sinn gekommen, mutwillig (oder nur so zum Spaß) herumzubrüllen, in Kirchen hielt man ja angeblich auch seinen Mund. Nicht, dass es in unserer Siedlung eine Kirche gegeben hätte, die Männer trafen sich meistens im Freien oder in den Hinterhöfen und Schankräumen, die Frauen saßen zu Hause und arbeiteten, sie luden sich gegenseitig ein und tischten sich Kuchen und Kekse auf und rissen dabei Witze über die «Mannsbilder» und deren Gewohnheiten.
    Im Sommer wurden wir Kinder von der Sonne regelrecht angesogen … Es zog uns aus den Wäldern auf gleißend helle Lichtungen, wir traten ins Licht und wurden beinahe
durchlässig
dabei, vielleicht für einen kurzen Moment tatsächlich unsichtbar oder auch … Die Welt, wie wir sie zu kennen glaubten, verschwand in einem dunklen Orchestergraben.Wir sahen nichts und hörten allerlei Tierwerk mit seinen Stimmlagen, den Bariton der Dachse und all die Tenöre, Auerhähne und Elstern, Spitzmäuse und Käuzchen.
In der Sonne verliert unser Wort an Bedeutung,
sagte der Onkel, und ich hielt ihn für ziemlich einfältig, das zu behaupten, wo doch die Sonne (astronomisch gesehen) zweifellos etwas
Gewöhnliches
darstellte,
schließlich waren wir es gewesen, die der Sonne ihren Namen gegeben haben,
antwortete ich. Bald schon rührte sich etwas tief in meinem Inneren, und ich fühlte mich unsäglich erleichtert, wir waren endlich zu Hause angelangt.
    Ich stellte mir vor, was wohl wäre, wenn es diesen einen Gott gäbe, dass er bestimmt durch den Wald streifen würde, um seine Untaten ausgiebig zu bestaunen … Verkrüppelte Pflanzen und von Parasiten befallene Tiere und die sich von ihnen ernährenden Menschen. Wir Kinder ahmten auch vieles nach, die Waldläufe und Streifzüge, Schlupfwinkel und Klettersteige boten der (schöpferischen) Fantasie reichlich Nahrung. Wir waren Entdecker und (unvoreingenommene) Beobachter, stiegen behutsam über Tierkadaver, sammelten Baumsamen und abgestoßene Geweihe sorgfältig ein und pflanzten diese erneut aus, die besten Plätze des Waldes suchten wir auf, um den keimenden Pflänzchen ein rasches Wachstum zu ermöglichen.
    Wir suchten sie später sogar regelmäßig auf, zupften Unkraut und vertrieben das Wild, wir rieben uns an den jungen Bäumen, um Tiere, die es auf ihre Rinde abgesehen hatten, eben davon abzuhalten, ihnen zu nahe zu kommen. Ein seltsamer Anblick muss das gewesen sein, emsige Kinder, die ihre Achselhöhlen entblößten, Hälse, Oberkörperund sogar Genitalien an den Stämmchen rieben, damit die anderen Bewohner des Waldes unseren Anspruch anerkannten.
    Ich erinnere mich, wie wir einmal ein Reh dabei ertappten, von unseren Buchen zu kosten … Sogleich schwärmten wir aus, das Tier gab Fersengeld, sprang und stürmte über Büsche und Furten, wir natürlich hinterher, bedacht, ihm den Weg abzuschneiden. Und wie wir erst schrien und bellten, Stöcke schleuderten und Steine warfen, das Reh

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