Bride 02 - Tempel Der Liebe
Gerichten. Die Beschaffenheit und der Geschmack der Speisen war manchmal recht merkwürdig. Gleichzeitig waren sie aber bestimmt sehr interessant und wohlschmeckend.
Chenqua fiel auf, dass sein Gast chinesische Essstäbchen bestellt hatte, und bemerkte: »Sie interessieren sich für unsere Bräuche, Mylord?«
»Sehr. Ihre Kultur ist die älteste der Welt. Ein Barbar wie ich kann kaum hoffen, die chinesische Gesellschaft in ihrer ganzen Tiefe zu begreifen. Aber ich möchte es wenigstens versuchen.«
Chenqua nickte zustimmend. »Ein besseres Verständnis unserer Nationen füreinander würde uns allen zum Vorteil gereichen.«
Einen günstigeren Zeitpunkt würde es für Kyles Frage wohl nicht geben. »Wäre es möglich, mehr von ihrem Land zu sehen? Ich könnte in Begleitung von Wachen reisen, die darauf achten würden, dass es keine Unstimmigkeiten gibt. Oder ich könnte mit den Jesuiten reisen, die Ihre Bräuche bereits kennen.«
Chenquas Blick verdüsterte sich. »Das wäre sehr ... schwierig. Äußerst schwierig.«
Kyle hatte gehört, dass es einem Chinesen verhasst war, etwas geradeheraus abzulehnen. Wenn der Kaufmann >äußerst schwierig< sagte, meinte er >unmöglich<. Um seinen Gastgeber nicht bloßzustellen, sagte Kyle: »Vielleicht wird eine solche Reise eines Tages möglich sein, wenn vertrautere Bande unsere Nationen vereinen.«
»Ja«, erwiderte Chenqua erleichtert. »Eines Tages.« Er wandte sich wieder William Boynton, dem Tai-pan der Ostindien-Handelsgesellschaft, zu.
Kyle hatte gehofft, dass Troth bei dem Essen dabei sein würde. Aber sie war nirgends zu sehen. Kyle fragte sich, ob sie sich vielleicht hinter den geschnitzten Paravents versteckte, die auf einer Seite des Esszimmers standen. Hin und wieder hatte er leises Kichern gehört. Die Damen des Hauses machten sich wohl einen Spaß daraus, die Lords beim Essen zu beobachten. Allerdings gehörte Troth ja nicht zu den Damen.
Nach dem fünfzehnten Gang wurde eine Pause eingelegt und eine Bühne aufgebaut. Gleich würde zur Unterhaltung der Gäste ein Theaterstück aufgeführt werden. Während das Geschirr abgeräumt wurde, fragte Kyle Chenqua: »Ist es erlaubt, hinaus in den Garten und ein wenig spazieren zu gehen? Ich würde gern ein wenig mehr davon sehen.«
»Bitte tun Sie das. Ein Garten erfrischt die Seele, so wie ein Bankett den Körper erfrischt.«
Kyle war dankbar für ein wenig Bewegung. Er ging hinaus. Das Esszimmer war ein offener Raum, so dass der Übergang zwischen drinnen und draußen eher fließend war. Als Kyle und die anderen Fan-qui angekommen waren, hatte Chenqua ihnen persönlich einen Teil des wunderschönen Gartens gezeigt. In einem großen Bereich hatte man Hügel und kleine Grotten angelegt. Wasser aus dem Perlfluss war in kleine Kanäle umgeleitet worden, die wiederum Bäche und Teiche bildeten. Es gab keinen einzigen geraden Weg.
Nachdem Kyle sich das äußerste Ende des Gartens angesehen hatte, machte er sich auf den Weg zurück zum Haus. Da erblickte er einen Teich und sah zwei Gestalten in einen achteckigen Pavillon gehen, der über dem Wasser gebaut worden war. Die Größere war sicher Troth. Er ging um den Teich herum, ihr nach.
Er war beinahe an dem Pavillon angekommen, als eine kleine, bunt gekleidete Person aus dem Gebäude kam und auf ihren unglaublich kleinen Füßchen trippelnd an ihm vorbeiging. Kurz bevor sie hinter einem sehr dekorativen Felsen verschwand, drehte die junge Frau sich um und blickte zurück. Sie hielt sich ein Tüchlein vor den Mund, kicherte und verschwand.
Es war das erste Mal, dass er eine echte chinesische Lady gesehen hatte. Er war so überrascht, dass er ihr hinterher starrte, bis jemand sagte: »Ling-Ling ist sehr hübsch, nicht wahr? Sie ist Chenquas vierte Frau.«
Er drehte sich um. Troth musterte ihn mit strengem Blick. Sie stand vor dem Eingang des Pavillons. »Ich hoffe, ich habe kein Tabu gebrochen, als ich sie anblickte.«
»Nein, das ist nicht schlimm. Ich bin sicher, es hat Ling-Ling sehr gefallen, einmal einen Barbaren aus der Nähe zu sehen.«
»Man tut, was man kann, um unterhaltsam zu sein.« Er betrachtete Troths Gesicht. Sie trug das Haar wieder in einem geflochtenen Zopf. Ihre Gesichtszüge besaßen eine kühle Schönheit. Sie faszinierten ihn viel mehr als das glatte Gesicht der jungen Chinesin. Aber er durfte Troth gegenüber keine unkeuschen Gedanken pflegen. Sie war kein Freudenmädchen, mit dem man ins Bett gehen konnte und das man dann vergaß. Eine
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