Bride 02 - Tempel Der Liebe
Unannehmlichkeiten, sagte er sich, schließlich bist du noch in der Lage, sie zu spüren. Morgen um diese Zeit würde er tot sein und seine Leiche mit oder ohne Namen begraben werden. Vielleicht warf man sie einfach auf die Straße, den Hunden zum Fraß.
Mehrere langsame, tiefe Atemzüge ließen ihn wieder ruhiger werden. Dann wurde die Tür erneut geöffnet. Kyles Muskeln spannten sich. Kam der Sergeant zurück, um wieder Katz und Maus mit ihm zu spielen?
Ein dünner, ärmlich gekleideter Mann trat ein. Knarrend fiel die Tür hinter ihm zu. Der Schlüssel drehte sich mit einem grässlichen Geräusch. Im trüben Licht der Zelle konnte er kaum Einzelheiten erkennen, bis der Neuankömmling unter seinem breiten Strohhut hervorlugte und ihn mit Troths wunderschönen braunen Augen anblickte.
»Großer Gott, haben sie dich auch gefasst?« Unwillkürlich machte er einen Schritt auf sie zu. Mit einem scharfen Ruck rissen ihn die kurzen Ketten zurück, so dass er an Fußknöcheln und Handgelenken einen stechenden Schmerz verspürte.
Sie schüttelte den Kopf, legte einen Finger an die Lippen und wartete, bis sich die Wachen, die sie hergebracht hatten, mit schweren Schritten entfernten. Erst als sie sicher war, dass die Luft rein war, wandte sie sich ihm zu. Die braunen Augen, die sich mittlerweile an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, weiteten sich vor Entsetzen, als sie sah, dass man ihn in Ketten gelegt hatte. »Ihr Götter im Himmel!«
»Sie haben mich wie eine Weihnachtsgans dressiert«, bemerkte er trocken. »Wie bist du hereingekommen, wenn du kein Gefangener bist?«
Sie umarmte ihn und schob die Arme zwischen seinen Rücken und der Wand. Der Hut rutschte ihr in den Nacken und blieb am Kinnband hängen, als sie das Gesicht in die Kuhle zwischen seinem Hals und seiner Schulter presste. Sie fühlte sich wunderbar warm und weich an - eine Erinnerung an die süßen Freuden der Welt.
»Ich habe die Wachen bestochen«, sagte sie heiser. »In China lässt sich fast alles machen, wenn man die geforderte Summe bezahlen kann.«
Diese Erfahrung hatte er im Osten selbst gemacht. Trotz allem hatte sie sich in große Gefahr begeben. Aber er war nicht selbstlos genug, um ein schlechtes Gewissen zu haben. Er rieb die Wange an ihrem Haar. Wie gerne hätte er sie jetzt in seine Arme genommen! »Es erstaunt mich doch sehr, dass du mithilfe von Bestechungsgeld einen gefährlichen Spion wie mich besuchen darfst.«
Als sie kaum merklich zusammenzuckte, sagte er ruhig: »Ich weiß, dass ich zum Tode verurteilt bin. Du brauchst es mir also nicht zu sagen.«
Sie gab einen erstickten Laut von sich, wich zurück und ließ die Hände auf seine Hüften sinken. »Ich habe den Wachen erzählt, ich würde in Kanton leben und die Sitten der Fan-qui kennen, einschließlich der Todeszeremonie, die eingehalten werden müsste. Ich habe ihnen versichert, dass, wenn ich dich aufsuchen könnte und die Rituale vollführe, die deinen Geist besänftigen, deine Familie höchst erfreut sein würde und die Wachen nicht zu fürchten brauchten, dass die Geister deiner Ahnen sie heimsuchten. Dies und das Geld haben mir ihre Mithilfe zugesichert.«
»Was bist du doch für ein kluges Mädchen!«
Sein Blick ruhte auf der Rundung ihres Ohres. Wieso hatte er nie bemerkt, wie vollkommen es geformt war? »Gott weiß, wie froh ich bin, dich zu sehen, aber je eher du gehst, desto besser. Diese Rohlinge lassen sich womöglich nur für einige Minuten kaufen.«
»Ich wollte dir zur Flucht verhelfen.« Sie blickte auf die Ketten und biss sich auf die Lippe.
»Vielleicht wäre es mit deinen Wing-Chun-Künsten möglich gewesen, wenn man mich nicht an die Wand gekettet hätte. Wir brauchten eine gute Stahlsäge und mehrere Stunden, um mich davon zu befreien, und wir haben beides nicht.«
»Ich werde die Schlüssel stehlen!«
Wie gern wollte er glauben, dass eine Rettung möglich war, aber er konnte sich nicht zum Narren halten. »Nein, meine Liebe. Wenn die Chancen auch nur eins zu zehn stünden - von mir aus auch eins zu hundert -, würde ich sagen, versuche es, aber so, wie die Dinge liegen, setzt du nur dein eigenes Leben aufs Spiel. Das lasse ich nicht zu.«
Ihre Augen blitzten. »Wie, zum Teufel, willst du mich daran hindern?«
Dieses Mal musste er lachen. »Wie wild du werden kannst! Aber denke an den Kerker, die Wachen, die Schützen, ganz zu schweigen von den Mauern, die den Yamen umgeben und die Stadt, an die hundert Meilen offenes Land, die sich von hier
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