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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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das weithinschimmernde Wellenkleid –, waren die von Frau Pao-leng. So mußt Du es als natürlich betrachten, daß mir diese Brüste, obwohl, muß man sagen, schön geformt und von der Farbe junger Pfirsiche, als enorm groß vorkamen. Inzwischen hatte ich nun Gelegenheit, die im Sommer unbekleidet auf Wiesen liegenden Großnasen zu beobachten, des weiteren konnte ich in dem erwähnten Lokal mit Herrn Yü-len-tzu die Entkleidungskünstlerinnen erforschen, und jetzt ergab sich die Möglichkeit, die Brüste der Dame Da-ch’ma aus der Nähe zu betrachten. Es ist also folgendes zusammenfassend zu sagen: obwohl die Großnäsinnen es nach Möglichkeit vermeiden, Kinder zur Welt zu bringen, und wenn, dann nicht säugen (das weiß ich aus einem Gespräch mit Meister Yü-len, das wir angesichts eines besonders auffallenden Busens einer der Entkleidungskünstlerinnen führten), haben sie enorm entwickelte Brüste, und den Mädchen werden die Füße nicht bandagiert. Nach unseren Begriffen hat Frau Pao-leng riesige Brüste und große Füße. Nach hiesigen Begriffen ist der Busen eher klein, und das gleiche gilt von den Füßen.
    Der Ehrwürdige Weise vom Aprikosenhügel sagt: der Edle, wenn er in die Fremde kommt, versucht nicht, dort seine Sitten einzuführen, sondern richtet sich, wenn er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, nach den Sitten, die dort herrschen. So richte ich mich also nach den Sitten der Großnasen in diesem Punkt und halte große Brüste für schön. Es hat dies, kann ich Dir sagen, auch seine angenehmen Seiten. Mich weiter in diesbezüglichen Intimitäten auszubreiten ist nicht meine Art, und ich lasse es also dabei bewenden. –
    Nachdem die beiden Damen ihrer Meinung nach genug geschwitzt hatten, kleideten wir uns an und gingen wieder hinauf in die Wohnung von Frau Da-ch’ma. Mein armer Leib hatte soviel Flüssigkeit verloren, daß er sich wie Dörrobst anfühlte, und ich trank, glaube ich, eine Flasche Mo-te Shang-dong fast in einem Zug aus.
    Im Lauf des weiteren Gesprächs kam dann die Rede darauf, daß Frau Da-ch’ma jene bewußte Seelen-Wissenschaft betrieb. Frau Pao-leng, meine Freundin, hatte Frau Da-ch’ma nur gesagt, daß ich »Chinese« und auf einem Studienaufenthalt hier in Min-chen begriffen sei. Das schien Frau Da-ch’ma brennend zu interessieren. Sie begann, vom Unterschied der – wie sie sagte – »fernöstlichen« Seele und der »westlichen« (also ihrer und der anderen Großnasen) Seele zu reden. Dabei stellte ich fest, daß sie von den Lehren des K’ung-fu-tzu keine Ahnung hatte und die »fernöstliche Seele« mit dem Aberglauben des Buddhismus gleichsetzte. Ich hielt es nicht für angebracht, die Dame zu belehren, außerdem, muß ich gestehen, tat der Mo-te Shang-dong eine gewisse Wirkung und versetzte mich in eine wohlige Wolke von Wu-wei. Ich nickte immer nur und sagte: Ja, ja.
    Als wir uns verabschiedeten, dankte mir Frau Da-ch’ma für das interessante Gespräch (obwohl ich nichts als »ja, ja« gesagt hatte) und sagte, daß ihre Seelen-Wissenschaft durch die Kenntnis meiner hochinteressanten Seele enormen Zuwachs gewonnen habe. Ich verbeugte mich und sagte: ich sei dankbar für das großartige Essen, das sie an einen so unwürdigen Zwerg wie mich vergeudet habe, für das hervorragende Schwitzen sowie für den freundlichen Anblick ihres so über die Maßen umfangreichen Busens, der mich an die Formen des heiligen Berges T’ai-shan erinnert habe und den ich als kostbaren Schatz in immerwährender Erinnerung behalten würde.
    Das hätte ich offenbar nicht sagen sollen, denn Frau Da-ch’ma stutzte etwas und trat einen Schritt zurück. Danach, als wir heimfuhren, sagte mir Frau Pao-leng, daß es ausgesprochen ungehörig sei, die Brüste einer Dame so unverhohlen zu erwähnen. Das sehe ich wieder nicht ein: wenn sie sie schon so freigebig herzeigen? Aber verstehe das, wer will. Ich beobachte und registriere. »Der Wissende«, sagt der große K’ung-fu-tzu im vierten Buch der ›Lun Yü‹, »ist noch nicht so weit wie der Forschende; der Forschende ist noch nicht so weit wie der teilnahmslos Erkennende.«
    Sollte ein Zusammenhang zwischen den Großbusen der Großnäsinnen und ihrer Vorliebe für Rindsmilch bestehen? Wer weiß.
    Einige Tage später richtete mir Frau Pao-leng Grüße von Frau Da-ch’ma aus. Ich fragte, ob die Dame mir meine ungewollte Ungehörigkeit verziehen habe? Ja, sagte Frau Pao-leng, denn die Dame habe nachgedacht und in ihren Büchern von der

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