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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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Fläschchen Mo-te Shang-dong zu bekommen. Es war aber nicht möglich. So trank ich Thee.
    Mir wurden zwar die Namen einiger der Fürsprecher und Richter genannt, aber ich konnte sie mir natürlich unmöglich merken. Einer hatte einen sehr runden Kopf und ganz kurze Haare – wie Igel-Stacheln – und ist besonders geschätzt wegen eines unerschöpflichen Schatzes von schelmischen Kurz-Anekdoten, die er in seinem Gedächtnis herumträgt. Er erzählte mir einige davon. Ich verstand keine, sagte aber, daß ich sie in unverwelklicher Erinnerung behalten werde. Er zeigte sich dann äußerst interessiert an der Küche des Reiches der Mitte und erwähnte, daß er selber gern koche, namentlich nach unserer Art. Ja, das gibt es. Einen Mann, der nicht Koch ist und doch den Herd bedient. Ich mußte ihn enttäuschen, weil ich keinerlei Auskunft und Rezepte mitteilen konnte. Ich weiß nur, ob mir die Sachen schmecken, nicht, wie man sie zubereitet.
    Ein anderer, ein ziemlich umfangreicher Herr, der ein Richter war, handelte nebenher mit Fischen und kleinen eigenartigen Schreibgeräten; ein sehr langer Fürsprecher, der einen Bart nach Art der Ziegen hatte, handelte am Tisch mit Büchern. Ich wagte nicht, nach den näheren Umständen mich zu erkundigen. Alles verwirrte mich. Ein anderer Fürsprecher war ungeheuer dick und groß und erschien in einem Helm wie die Krieger der Han-Zeit … ich erschrak und wollte entfliehen, aber es zeigte sich dann, daß der betreffende Fürsprecher völlig harmlos war und keine kriegerische Absicht hatte.
    Ein weiterer Fürsprecher – dessen Namen ich mir als Wi-li-we-wa gemerkt habe – war eher von meiner Größe, was mich angenehm berührte. Es traf sich, daß ich neben ihm saß. Nach einiger Zeit fragte er mich etwas, aber ich verstand seine Sprache nicht. Der erwähnte ziegenbärtige Fürsprecher, der nebenher mit Büchern handelt, lachte laut, als er sah, daß ich den Herrn Wi-li-we-wa nicht verstand, und sagte, das sei ohne weiteres einleuchtend, denn Herr Wi-li-we-wa stamme aus etwas westlich gelegenen Gegenden, dort seien die Leute sehr sparsam und die Zunge sei ihnen verkehrt herum angewachsen. Herr Wi-li-we-wa schaute nur sehr ruhig zu dem ziegenbärtigen Herrn auf und sagte – nun um Verständlichkeit bemüht –: »Noch ein Wort, und ich schütte dir den Inhalt dieses Glases über deinen Kopf.« Wieder wollte ich fliehen, da wandte sich aber Herr Wi-li-we-wa wieder an mich und wiederholte seine Frage deutlicher: ob es bei uns im Reich der Mitte bei Gericht auch so lustig zugehe? »Nein«, antwortete ich und verbeugte mich zu einem Drittel, »aber ich werde nicht verfehlen, von den vergnüglichen Sitten in der schönen Stadt Min-chen bei mir zu Hause zu berichten, und ich zweifle nicht, daß sie auf meine Schilderung hin allsogleich nachgeahmt werden.«
    Da erhob er sein Glas und stieß einen Laut aus, der so ähnlich wie »Plo-sh-cht« klang und – das kannte ich schon – soviel bedeutet wie: er trinke, damit es mir wohl ergehe. Ich verbeugte mich wieder, trank etwas von meinem Thee und sagte: »Plo-sh-cht, auch ich erlaube mir diesen Thee in der Hoffnung zu schlürfen, daß dem überaus verdienstvollen Herrn Wi-li-we-wa sowie seinen schätzenswerten und verehrungswürdigen Ahnen Ruhm und Ansehen fortwährend ersprießen mögen.«
    Ich war froh, als wir endlich den Raum wieder verließen. Im zweiten Teil der Verhandlung wurde es ruhiger. Es kamen nicht mehr so viele Fürsprecher, und es wurde auch nicht mehr so viel geschrien.
    Dicke Bündel von Papier wurden hin- und hergetragen. Ab und zu blätterte der Richter in einem solchen Bündel. Hin und wieder reichte ein Fürsprecher – ohne Verbeugung – ein Stück Papier dem Richter hinauf. Ich fragte Herrn Shi-shmi, ob das Ergebenheitsadressen an den Richter wären. Nein, sagte er, in den hinaufgereichten Papieren stelle der Fürsprecher seine Ansicht der Sache dar. Gelegentlich schleuderte der Richter auch ein Papier zu den Fürsprechern herab, das die aber mit nur wenig äußerer Ehrerbietung entgegennahmen.
    So ging die Verhandlung zu Ende. Als kein Fürsprecher mehr im Zimmer war, entließ der Richter seine mißmutig schreibende Gehilfin und auch die Schergin. Dann lud ich, wie gesagt, ihn und Herrn Shi-shmi ein, mit mir zu essen.
    Da fragte ich ihn dann vieles. Zum Beispiel: ob er denn das alles lesen müsse, was die Fürsprecher ihm da hinaufgereicht hätten. Nein, sagte er, denn wenn er das alles lesen würde, würde er im

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