bringen alle in Schwung
im Unterricht leiden.“
Frau Theobald spielte mit ihrem Bleistift.
Mamsell saß in einer Ecke und hatte noch gar nichts gesagt. Jetzt hob sie den Kopf.
„Du musst das Konzert erlauben, Brigitte“, sagte sie. Sie war die Einzige, die sich mit der Direktorin duzte. Es war eine jahrelange Freundschaft. „Du hast allen deinen Schülerinnen beizubringen versucht, dass Kameradschaft, Freundschaft, menschliches Verantwortungsbewusstsein für den anderen wichtig sind. Im Ernstfall wichtiger als eine gute Note in Mathematik oder Französisch. Es war immer dein Ziel, die Mädchen so zu erziehen. Sie sollten menschliche Menschen werden. Nicht wahr, Brigitte? Nun haben diese beiden kleinen, netten Sullivan-Zwillinge sich einen Weg ausgedacht, wie man Anja tatsächlich helfen könnte. Ich gebe zu, das imponiert mir. Natürlich hat der Zufall mitgeholfen, dass dieser Roy Bernhard sich bereit erklärt hat, mit Lindenhof-Schülerinnen aufzutreten. Vermutlich hätte er sich nie um Hanni und Nanni gekümmert, wenn sie nicht seinen Hund gerettet hätten. Aber das alles ist nur die äußere Seite. Wir, wir erwachsenen Lehrerinnen, wir Erzieherinnen, wir sollten den Mädchen zeigen, dass man einem Menschen, der in Not ist, helfen kann, wenn man es wirklich will. Du darfst nicht Nein sagen, Brigitte. Du musst Anja diese Chance geben, hier in Lindenhof bei uns aufzuwachsen. Du musst es tun, Brigitte. Auch wenn dir manches nicht gefällt. Mir gefällt zum Beispiel die Musik von diesem Burschen nicht. Ich liebe Mozart und Haydn und Bach und wenn ich diese Countrymusic hören muss, bekomme ich Bauchschmerzen ... Aber das ist unwichtig. Es geht nicht um Musik und es geht nicht um ein paar kleine Mädchen, die schlechtere Noten schreiben werden, weil sie von Roy Bernhard träumen. Es geht darum, dass wir alle zusammen beweisen, wie man helfen kann, wenn man es wirklich will.“
Mamsell hatte eine lange Rede gehalten und niemand hatte sie unterbrochen. Sie sprach nach so vielen Jahren perfekt Deutsch, wenn sie wollte, und in diesem Moment wollte sie es.
Frau Theobald ließ den Bleistift sinken.
„Du hast recht, Amélie“, sagte sie leise. „Es war gut, dass du mich an meine Pflicht erinnert hast ... Ich werde meine Zustimmung zu dem Konzert geben. Es ist richtig, unsere Mädchen sollen zwar ihr Abschlussexamen mit guten Noten bestehen, aber vor allem sollen sie Menschen werden ...“
Es herrschte Einigkeit im Lehrerzimmer von Lindenhof. Nur zwei Lehrerinnen fühlten sich überstimmt, doch sie trugen es mit Haltung und erklärten sich bereit, alles Notwendige zu tun.
Die Sitzung war beendet. Hanni und Nanni hatten den Kampf für Anja gewonnen. Aber sie wussten es noch nicht.
Am nächsten Morgen war es Frau Martin, die der dritten Klasse die Neuigkeit mitteilte. Während die andern sich erregten, alles wahnsinnig spannend fanden und tausend Dinge wissen wollten, schwiegen die Zwillinge. Aber sie strahlten. Bobby und Jenny und Katrin, die Eingeweihten, knufften sich gegenseitig und grinsten.
Nur Anja saß wie erstarrt da.
Später sagte sie den Zwillingen, was sie bedrückte.
„Ich will keine Almosen von euch. Ich bin keine Bettlerin. Ich will das alles nicht, was ihr für mich tut.“
„Aber wir tun es doch gern“, sagte Nanni ratlos. „Du bist unsere Freundin.“
Anja weinte.
Plötzlich wurde Hanni wütend.
„Du bist ein Schaf“, schimpfte sie. „Ein richtig dummes Schaf. Du willst hier in Lindenhof bleiben. Wir alle wollen dich hierbehalten. Nun hab dich nicht so. Wir bringen kein Opfer für dich, wir haben unseren Spaß. Also stell dich bitte nicht so an. Wenn du willst, kannst du einmal ganz kurz Danke sagen. Und dann reicht es. Es ist alles in Ordnung. Kapiert?“
Anja nickte und schniefte. Dann lächelte sie.
„Danke, ihr blöden, lieben Zwillinge!“
Der Startschuss für das Unternehmen Anja war gegeben. Frau Theobald hatte mit Roy Bernhard ein Gespräch geführt und sich bei ihm für seine Hilfsbereitschaft bedankt. Sie hatten vereinbart, dass die Vorstellung Ende Februar stattfinden sollte. Vorher hatte er keine Zeit, er musste im Januar noch eine Deutschland-Tournee absolvieren. Der Termin war der Schulleiterin recht. So konnten die Mädchen vorher in Ruhe die wichtigsten Klassenarbeiten schreiben. Die letzten zwei Wochen vor dem Konzert würden die Lehrer dann beide Augen zudrücken, was den Unterricht betraf.
Frau Theobald war erstaunt, wie ernst Roy Bernhard die Angelegenheit nahm. Er hatte sich
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