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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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Meinst du, dass dieses Symbol der Grund war?»
    «Ich weiß nicht. Die Talismane sollen das Zelt beschützen, aber ich dachte immer, das sei nur eine Tradition und nicht tatsächlich wirksam.» Sie rieb die rote Farbe leicht zwischen ihren Fingern und dachte nach.
    Eine Weile saßen sie schweigend da und schauten in den Sonnenuntergang am westlichen Horizont. Jin kam der Gedanke, dass, nur weil sie selbst nicht gerne über ihre Vergangenheit sprach, das auch für andere Menschen gelten musste. «Möchtest du mir von deinem Vater erzählen?», fragte sie zögernd.
    Sam hatte die ersten Sterne am Himmel betrachtet. Jetzt blickte er sie kurz an und sagte dann achselzuckend: «Ich möchte dich nicht langweilen.»
    Was nicht dasselbe war wie ein unverblümtes Nein, dachte Jin. «Ich würde es gerne hören, aber nur, wenn du darüber reden willst.» Der Blick, den er ihr nun zuwarf, war zweifelnd, aber nicht ablehnend. «Wirklich», beharrte sie.
    «Er hat auf der Brücke gearbeitet», sagte Sam, «zu einer Zeit, als die Caissons noch abgesenkt wurden.»
    «Was sind Caissons?»
    «Damit errichtete man die Fundamente der Türme. Es sind Kästen ohne Boden, so ähnlich wie Taucherglocken, nur etwa von der Größe eines Straßenzuges. Sie bestehen aus Kiefernholz, Eisen und Werg.» Sam streckte die Hand aus, die Handfläche nach unten gerichtet, und wölbte sie wie eine Glocke.
    «Sie haben die Kästen auf dem Fluss ausgeladen, sodass sie oben schwammen. Dann haben sie die Fundamente darauf errichtet, und das Gewicht hat sie nach unten gedrückt. Durch Einblasen von Druckluft haben sie das Wasser aus den Kästen herausgepresst. Während eine Mannschaft durch eine Luftschleuse in den Kasten gestiegen ist und anfing, den Flussboden auszuheben, baute eine zweite Mannschaft oben Stein für Stein die Türme weiter auf, und allmählich sanken die Caissons tiefer. Die Mannschaft darin grub, bis sie auf festen Fels stieß, sodass die Fundamente nicht absinken würden. Und als sie die Caissons da hatten, wo sie sie haben wollten, füllten sie Zement ein, und die Fundamente standen felsenfest.»
    «Und dein Vater war bei der Mannschaft, die den Flussschlamm ausgrub?»
    Sam nickte. «Er hat in dem Brooklyn-Caisson gearbeitet, bis es fertig war. Dann hat er in dem New York-Caisson weitergemacht. Bis er starb.»
    «Oh.» Sam hatte nie ausgesprochen, dass sein Vater tot war, aber Jin hatte das Gefühl, dass sie selbst darauf hätte kommen müssen. An der Promenade Karten zu spielen war keine Tätigkeit für einen Sohn aus anständiger Familie, nicht einmal hier, in der unmittelbaren Nachbarschaft von New York. «Es tut mir leid, ich hätte nicht …»
    «Nein, schon okay. Es macht mir nichts aus. Im Gegenteil: Es ist schön, über ihn zu reden.» Sam streckte die Beine aus und blickte über das Wasser. «Der Luftdruck wird höher, je weiter man nach unten kommt, und der Turm drüben bei New York musste sehr tief im Flussbett versenkt werden. Auf der Brooklyn-Seite waren es nur etwa fünfundvierzig Fuß. Auf der New Yorker Seite mussten sie fast doppelt so tief gehen.» Wieder zuckte er mit den Achseln. «Natürlich waren die Leute ständig krank. Alle wussten, dass es nicht gut für den Körper war, wenn man unter dieser Art von Druck arbeitete, aber normalerweise gingen die Schmerzen nach ein paar Stunden vorbei. Die Aufseher waren sehr vorsichtig, und auf der Brooklyn-Seite ist niemand gestorben. Dasselbe galt auch für die andere Seite, eine Zeit lang. Erst als sie etwa siebzig Fuß tief waren, wurde mein Dad richtig krank.» Er verstummte. «Willst du das wirklich hören?»
    Sie nickte. «Wenn du es mir erzählen willst. Nur dann.»
    «Nun, du hast mir ja auch deine Geschichte erzählt.» Sam verschränkte die Arme vor der Brust. «Man nannte diese Caissonkrankheit auch Taucherkrankheit. Bei Dad fing es mit Krämpfen in den Beinen an, nachdem er wieder hochgekommen war. Er sagte, dass die Arbeit im Caisson irgendwie bizarr und manchmal beängstigend war, aber der Schmerz setzte erst ein, wenn er wieder an der Oberfläche war. Und dann, so meinte er, sei es, als ob ihn ein Riese auseinanderreißen würde.» Sam erschauerte. «Ich habe es einmal miterlebt. Ich habe mich immer mit ihm in einem Saloon in der Nähe der Fulton Street getroffen, wo er auf dem Heimweg nach Brooklyn vorbeikam.»
    «Du hast dich mit deinem Vater in einem Saloon getroffen?», fragte Jin. «Wie alt warst du?»
    «Ich glaube, zu dieser Zeit war ich fast dreizehn,

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