Brother Sister - Hoert uns einfach zu
bin total high. Ich schaff es nicht nach Haus.«
»Schon okay«, sagte ich. »Du kannst in Moms Zimmer schlafen.«
»Exactomento«, sagte er. »Vielleicht mach ich noch den Abwasch für euch, bevor ich mich aufs Ohr haue. Als Gegenleistung.«
Er stand auf und streckte sich, verschränkte die Hände überm Kopf und krümmte den Rücken wie eine Katze. Dann ging er aufs Haus zu.
Ich sah ihm nach.
Auf halbem Weg blieb er stehen und drehte sich nach mir um. »Kommst du auch?«, fragte er.
»Nein, ich bleib noch ein bisschen draußen.«
Das tat ich dann auch. Ich zog die Beine an und blieb … ich weiß nicht … vielleicht noch eine Stunde so liegen. Einfach nur so. Ich dachte an nichts Besonderes. Außer was Keith wohl tun würde, wenn ich ihm erzählte, was ich sonst noch über das Verschwinden von Craig und Naomi wusste. Und ich fragte mich, ob ich es nicht lieber tun sollte.
Will
Ungefähr ne Stunde später kam Asheley wieder ins Haus.
Keith hatte sich schon in Moms Zimmer geschlichen und lag inzwischen wahrscheinlich im Koma. Leider konnte ich es nicht verhindern. Es war die typische Frag-Mama-wenn-Papa-Nein-sagt-Situation und Ash hatte es ihm ja bereits erlaubt. Ich hatte im Wohnzimmer rumgehangen und gewartet. Ich durfte gar nicht dran denken, wie er es geschafft hatte, Ash so einzulullen, sonst wäre meine Fantasie mit mir durchgegangen. Aber ich fragte mich, was das für unsere Zukunftspläne zu bedeuten hatte. Als sie endlich wieder reinkam, hatte ich genug Zeit zum Grübeln gehabt und mich dermaßen über die beiden aufgeregt, dass ich … total neben mir stand.
»Was sollte das?«, fragte ich Ash. »Was hast du da draußen gemacht?«
»Ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen«, sagte sie. »In Ruhe nachdenken. Die Sterne angucken. Ein Eichhörnchen ist auf dem Schuppendach rumgehüpft. Das war lustig.«
»Weich mir nicht aus! Du weißt genau, was ich meine.«
Sie stellte sich dumm und setzte ein fragendes Gesicht auf.
»Was hast du mit Keith gemacht?« Obwohl das Licht in Moms Zimmer aus war, konnte es sein, dass er uns belauschte. Deswegen flüsterte ich. Beziehungsweise zischte. Wie gesagt: Ich war geladen.
»Gar nichts«, sagte sie. »Wir haben uns nur ein bisschen unterhalten.«
»Ach ja? Und warum? Ich meine, was war daran so reizvoll? Hat er dich angefasst?«
»Nein«, sagte sie und setzte sich auf die Treppe.
Ich konnte sehen, wie angespannt sie war. Ihre Fassade war zu perfekt. Sie war auf der Hut. Regelrecht nervös.
»Wer’s glaubt …«, sagte ich. »Aber selbst wenn er sich zurückgehalten hat, hätte er’s bestimmt gern getan. Ich kenn ihn doch.« Ich hatte ein Bild vor Augen, wie Keith mit der Hand an Asheleys Schenkel hochfährt, und wurde immer wütender. »Er wartet doch schon ewig auf eine Gelegenheit. Hat er lauter Sachen gesagt, die du gern hören wolltest? Wie leid es ihm tut, dass du es so schwer hast und dass er immer für dich da ist? Glaub ihm kein Wort! Ich fall auf ihn jedenfalls nicht rein.«
Sie warf einen Blick zu Moms Tür hoch und gab mir zu verstehen, dass ich leiser sprechen sollte. Dann sagte sie: »Keith ist in Ordnung.«
Ich schrie: »Ist er nicht!« Dann sagte ich etwas leiser: »Er ist alles andere als in Ordnung. Er ist hinter dir her. Das ist doch widerlich! Die Vorstellung, dass er dich vielleicht …«
»Jetzt hör mir mal zu, Will!«, unterbrach sie mich. »Du redest Müll! Keith will doch nur … ich weiß nicht … ein Vater für uns sein. Okay, er ist ein komischer Kerl, aber schlecht ist er nicht. Schließlich kommt er alle paar Tage vorbei und erkundigt sich nach uns. Das ist doch nett! Wenn wir ihm sagen, dass alles in Ordnung ist, lässt er uns in Ruhe. Wir müssen nur freundlich zu ihm sein. Dann kann er mit dem Gefühl weggehen, dass er was für uns getan hat. Ist das denn so schwer? Danach machen wir beide genauso weiter wie vorher. Verstehst du? Vertrau mir! Wir sind ein Team. Du und ich. Er ist nur ein komischer Typ, der sich hier ab und zu blicken lässt.«
Ich wurde gleich etwas ruhiger, als sie das mit dem Team sagte. Immerhin hatte ich sie nicht verloren. Das war schon mal eine Erleichterung. Aber trotzdem … Was hatte sie ihm alles erzählt? Ich weiß gar nicht, warum ich mich das nicht eher gefragt hatte. Dabei war es das Wichtigste. Was, wenn sie irgendwas gesagt hatte, das ihn Verdacht schöpfen ließ? Ich wusste ja, wie sehr sie unter unserer Situation litt. Und wenn sie jetzt plötzlich Vertrauen zu Keith
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