Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)
Hal deutete auf das Schwert und den Schild, der jetzt an einer Statue eines schnurrbärtigen Königs von Teutlandt lehnte. »Ich habe nichts getan.«
Erak schüttelte den Kopf. »Du hast mehr getan, als dir bewusst ist. Du hast ihm einen Lebenssinn gegeben. Du bist ihm sehr wichtig.«
»Na ja, wir sind Freunde, klar, aber …«
»Es ist viel mehr als das, Hal«, unterbrach Erak ihn. »Er ist stolz auf dich. Er weiß, was in dir steckt, und er möchte, dass du Erfolg hast. Du hast ihn aus dem schwarzen Loch von Selbstmitleid gezogen, in das er sich gestürzt hat, nachdem er seine Hand verloren hatte. Das war beinahe sein Ende, weißt du.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Hal. »Es muss furchtbar für ihn gewesen sein, damit klarzukommen.«
»Schlimmer, als du es dir vorstellen kannst.« Erak schwieg, und Hal spürte, dass er überlegte, ob er weiterreden sollte. Dann nickte er, als hätte er eine Entscheidung getroffen.
»Was weißt du über Thorn?«, fragte er.
Hal überlegte und zuckte dann mit den Schultern. »Na ja, nicht so besonders viel eigentlich. Er war der Freund meines Vaters. Er war ein Mitglied deiner Mannschaft. Aber dann trank er zu viel, nachdem er seine Hand verloren hatte …«
»Das ist sehr milde ausgedrückt«, warf Erak ein.
Hal nickte. »Ja. Dann hat meine Mutter mit ihm ein Wörtchen geredet und er hat sich zusammengerissen …«
»Das hat sie wohl getan«, bestätigte Erak lächelnd.
»Wenn meine Mutter ein Wörtchen mit einem redet, dann hört man ihr zu«, sagte Hal aus ganzem Herzen. Mit ihm hatte sie auch schon mehr als einmal ein Wörtchen geredet.
»Seitdem hat er im Gasthof meiner Mutter ausgeholfen und so weiter. Aber …« Er machte eine Pause und versuchte, seine Gedanken in Worte zu fassen. In letzter Zeit hatte er ganz andere Seiten von Thorn kennengelernt.
»Aber was?«, fragte Erak nach.
Hal runzelte die Stirn. »Er scheint eine Menge über das Kämpfen und Waffen zu wissen und so.« Er deutete auf das Schwert und den Schild.
»Das stimmt«, sagte Erak. »Er war einst der Maktig.«
»Thorn?« Hal sah ihn aus großen Augen an. »Thorn war der Maktig?«
Der Maktig, also der Mächtige Eine, war der Gipfel dessen, wonach ein Nordländer streben konnte – der beste Kämpfer von ganz Skandia. Um der Maktig zu sein, musste ein Krieger überdurchschnittlich viel Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer besitzen. Er musste im Einsatz mit allen Waffen unübertroffen sein – Axt, Schwert, Speer und Sachsmesser. Aber auch ohne Waffen musste er der Beste sein. Er musste alle Herausforderer in einem äußerst strapaziösen jährlichen Wettkampf besiegen. Der Maktig wurde im ganzen Land respektiert und verehrt. Der Maktig war jemand, der geradezu übermächtig war – ein Held, großer Sagen wert.
Der Maktig war keinesfalls ein schäbiger alter Strolch, der in einem nicht besonders sauberen Schuppen schlief.
»Gorlog und Orlog!«, stieß Hal einen nordländischen Ausruf des Erstaunens hervor. Orlog war Gorlogs weniger bekannter Bruder, der nur in Momenten großer Anstrengung oder Überraschung angerufen wurde. »Thorn war der Maktig?« Er konnte es immer noch nicht glauben.
»Drei Jahre nacheinander«, fügte Erak hinzu
»WAS?« Hals Stimme kippte. Soweit er wusste, hatte niemand es geschafft, länger als ein Jahr Maktig zu sein. Das war einfach unmöglich.
»Niemand sonst hat das jemals erreicht«, bestätigte Erak das, was Hal gerade durch den Kopf ging. »Im zweiten Jahr war der Mann, den er schlug, sein bester Freund Mikkel. Dein Vater. Mikkel war gut, aber seine Fähigkeiten mit der Axt hatten nicht ganz gereicht.« Er deutete auf das Schwert. »Er war ein Schwertkämpfer. Aber Thorn war unglaublich stark und geschickt mit allen Waffen. Und er war schnell. Unglaublich schnell. Ich bezweifle, dass es jemals einen anderen geben wird, der das erreicht, was er geschafft hat.«
Er ließ Hal diese erstaunlichen Neuigkeiten ein paar Sekunden lang verdauen. Dann fuhr er mit einem traurigen Unterton fort.
»Deshalb hat es ihn auch so schwer getroffen, als er die Hand verlor. Wenn jemand so weit nach oben aufgestiegen ist, dann ist der Fall nach unten umso tiefer. Mit einem Schlag hat Thorn seine Fähigkeiten, seine Stellung, seinen Wertemaßstab und seine Zukunftsaussichten verloren. Er verwandelte sich von einem Mann, zu dem jeder aufsah, in einen Mann, den jeder bemitleidete. Was es noch schlimmer machte war, dass Mikkel, als er starb, Thorn bat, dich und
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