Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
Drohungen am Ende noch wahr. Dann kommen Leute zu Schaden, aber Kasakow bleibt weiterhin unbehelligt, weil er von den hohen Beamten, die er in der Tasche hat, beschützt wird. Versuchen Sie lieber nicht, gegen dieses Wiesel vorzugehen. Halten Sie ihn hin, spielen Sie den Kooperationsbereiten und lassen Sie ihn von den Mühlsteinen unserer Bürokratie zermahlen. Sieht er ein, dass er in Albanien nicht zum Zug kommt, baut er seine Pipeline vielleicht nach Thessaloniki, wie er’s schon mal angedroht hat, oder weiter nördlich durch den Kosovo und Montenegro nach Dubrovnik oder Bar.«
»Eine russische Pipeline durch Griechenland? Ausgeschlossen!«, behauptete Solis. Dann verzog er das Gesicht. »Nun, es hat schon seltsamere Dinge gegeben. Aber würde er eine durch den Kosovo oder auch nur durch Montenegro bauen wollen? Man müsste jährlich Millionen Dollar aufwenden, um zu versuchen, sie bewachen zu lassen – und weitere Millionen für immer neue Reparaturen. Solange die Serben dort das Sagen haben, werden diese Provinzen nie stabil genug sein, um solche Investitionen zu rechtfertigen. Nicht einmal ein Pawel Kasakow könnte alle kriegführenden Parteien bestechen.
Nein, er will seine Pipeline durch Albanien bauen, und Vlorë ist der logische Endpunkt – ein geschützter Hafen, guter Zugang zur Adria, gute Verkehrsanbindung, Hafen, Tanklager und Raffinerien bereits vorhanden«, fuhr Solis fort. »Aber wir wollen auf keinen Fall, dass ein Monster wie Kasakow in Albanien Fuß fasst. Behindern wir ihn, demonstrieren unseren Widerwillen und errichten genügend Verwaltungshürden, dann verliert er vielleicht die Lust und verkauft seine Pipeline an irgendein amerikanisches oder britisches Konsortium. Das wäre ideal.«
»Soll ich also ein Antwortschreiben aufsetzen, mit dem …«
»Mit dem Sie den Empfang seiner Mitteilung höflich bestätigen – aber erst nachdem er sich in mindestens drei Anrufen über das Ausbleiben einer Antwort beschwert hat«, sagte Solis lächelnd. »Dann schicken Sie es Kasakow mit gewöhnlicher Post, was noch mal eine Woche dauert.«
»Jawohl, Exzellenz«, sagte der Sekretär. »Und soll ich dem NSD und Minister Siradova von der Staatssicherheit einen feindseligen ausländischen Kontakt melden?«
»Zu viel Aufwand«, wehrte Solis lässig ab, während er die Notizen weiter durchblätterte. »Kasakow schreckt vor nichts zurück, aber er ist nur in Russland gefährlich. Versucht er auch nur, einen Fuß auf albanischen Boden zu setzen oder uns mit Gewalt zu drohen, nageln wir sein abgezogenes Fell ans Scheunentor.« Er sah zu seinem Sekretär auf und blinzelte ihm zu. »Viel Spaß mit der Uhr, Thimio.«
Luftwaffenstützpunkt Shukowski, Bykowo (einige Wochen später)
Pawel Gregorjewitsch Kasakow hatte seinen Vater nie richtig gekannt. Gregor hatte weit mehr Zeit im Dienst und bei seinen Soldaten – erst in der Roten Armee, dann bei der russischen Armee – verbracht als zu Hause bei seiner Familie. Er war kaum mehr als eine schemenhafte Erinnerung, für seine Angehörigen ebenso ein Fremder, wie er für Russland ein Held gewesen war.
Anfangs hatte Pawel ihn nur durch die Briefe gekannt, die er an die Familie schrieb. Sie hatten wie hypnotisiert am Esstisch gesessen und sich angehört, wie der Vater Episoden aus dem Militärleben mitteilte und von Abenteuern bei Auslandseinsätzen oder irgendwelchen Manövern berichtete. Dann erteilte er seinen drei Kindern schriftliche Befehle aus dem Feld – lernt eifriger, arbeitet fleißiger, meldet euch freiwillig für dieses Projekt oder jenen Wahlunterricht. Die Nichtbefolgung seiner Befehle hatte stets harte Strafen nach sich gezogen, obwohl der Familienvater kaum jemals da war, um ihre Befolgung zu erzwingen. Später hatte Pawel vom Leben seines Vaters hauptsächlich durch Anekdoten in Garnisonen oder aus Zeitungsberichten über seine Abenteuer in Europa und Südwestasien erfahren. In den Berichten erschien Gregor Kasakow als überlebensgroße Heldengestalt.
Aber je mehr sein Vater zu einer lebenden Legende geworden war, desto mehr war Pawels Respekt vor ihm geschwunden. Das lag nicht nur daran, dass er nie zu Hause war, sondern Pawel begann zu glauben, seinem Vater sei die eigene Familie nie so wichtig gewesen wie seine Uniform. Für Pawel wurde es viel wichtiger, den Alten durch tolle Streiche bis zur Weißglut zu reizen, als zu versuchen, die Liebe und Achtung eines Mannes zu gewinnen, der niemals da war, um ihm beides zu schenken. Pawel machte
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