Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
sie lange und leidenschaftlich auf den Mund. Die Kinder
quietschten vor Vergnügen, ihre Eltern strahlten, und Maria
lächelte verzückt. Völlig außer Atem, ließen die beiden voneinander ab und stimmten in die allgemeine Fröhlichkeit
mit ein. Schließlich ermahnte Gloria die zappelnden Kinder,
wieder still zu sitzen und ihre Teller leer zu essen.
Jared, der unter dem Tisch Laurens Knie ertastete, zwickte sie zärtlich und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Bald darauf schmolz der Schnee, und ein glasklarer Himmel überwölbte wie eine azurblaue Kuppel die Weiten von
Texas. Die beiden Brüder ritten jeden Tag über das Anwesen. Unter den schweren Schneemassen hatten die Zäune
nämlich an etlichen Stellen Schaden genommen. Und die
Vaqueros, die darauf brannten, sich endlich wieder nützlich
zu machen, reparierten sie und hielten nach Tieren Ausschau, die aufgrund der bitteren Kälte verendet waren.
Eines Nachmittags ritt Lauren mit ihnen aus. Etwa eine
Meile vom Haupthaus entfernt stießen sie auf den Kadaver
eines der berühmten Lockett-Rinder. Irgendjemand hatte
das Tier getötet und die besten Fleischstücke herausgeschnitten. Der Rest verrottete in der wärmenden Sonne.
»Gottverdammich!«, fluchte Jared. »Wer war das?«
»Crazy Jack kann es nicht gewesen sein. Der lässt nämlich
nichts umkommen«, meinte Rudy.
»Nein. Mr. Turner würde dergleichen nicht tun«, sagte
Lauren ruhig.
Die Männer maßen sie verblüfft, und sie erzählte ihnen
von ihrer Begegnung mit dem Einsiedler. Dass er sich
schlimm verletzt und sie ihm die Falle vom Fuß entfernt
hatte. »Zum Glück konnte ich ihm noch ein paar Vorräte
bringen, bevor das Wetter umschlug. Zu so etwas wäre er in
seinem Zustand keinesfalls in der Lage gewesen«, bekräftigte sie.
»Willst du damit sagen, du hast ihn gesehen und dich mit
ihm unterhalten?«, fragte Rudy verwundert, der wusste,
dass den Eremiten noch nie jemand zu Gesicht bekommen
hatte.
»Ja.«
»Meine Frau hat die seltene Begabung, die Armen und
Hilfsbedürftigen anzuziehen wie der Honig die Fliegen.«
Obwohl er belustigt klang, hörte sie die heimliche Bewunderung aus seiner Stimme heraus. Während seines kurzen
Aufenthalts in Coronado hatte Olivia ihm dauernd mit glühenden Schimpftiraden in den Ohren gelegen, weil Lauren
die Bewohner von Pueblo mit Hilfsprojekten unterstützte.
Sie ahnte nicht, dass sie ihn damit geradewegs in die Arme
seiner Frau trieb. Laurens Abreise nach Keypoint hatte ihn
mehr schockiert und enttäuscht, als er sich selbst hatte eingestehen wollen. Warm sagte er zu ihr: »Ich kann mir
durchaus vorstellen, dass Jack Turner zu dir Vertrauen gefasst hat.«
»Das beantwortet aber noch nicht die Frage, wer unsere
Kuh geschlachtet hat«, gab Rudy zu bedenken.
»Vermutlich war es einer von diesem Duncan-Pack«, versetzte Jared bitter. »Sieht mir ganz danach aus.«
»Hat Lauren dir erzählt, dass sie uns neulich einen kurzen
Besuch abgestattet haben?«, erkundigte sein Halbbruder
sich vorsichtig.
»Was!?« Jared schäumte vor Zorn.
Rudy schilderte ihm in kurzen Zügen seine Unterhaltung
mit Duncan. Und ließ dabei gottlob die hässliche Szene aus,
die June und ihr Bruder ihr gemacht hatten! Lauren atmete
insgeheim auf. Sonst wäre Jared dem Köhler bestimmt
postwendend an die Gurgel gegangen. Hatte er sich nicht
splitternackt auf die Suche nach William Keller machen wollen? Sie lächelte bei der Erinnerung, seine ärgerlich erhobene Stimme holte sie indes spontan in die Gegenwart zurück.
»Wieso hast du mir das bisher verschwiegen?«, wollte Jared wissen.
»Weil ich wusste, dass du genau so reagieren würdest, wie
du jetzt reagierst«, erwiderte Rudy seelenruhig. »Meiner
Meinung nach sollten wir zwar ein Auge auf ihn haben,
trotzdem möchte ich ihn nicht unnötig provozieren.«
»Okay«, knurrte Jared. »Aber dass eins klar ist: Nach diesem Sommer werde ich diese Bande nicht mehr auf unserem Land dulden. Wenn die Eisenbahnanbindung fertiggestellt ist, brauchen die Vaqueros das Vieh nicht mehr bis
nach Austin zu treiben und können andere Aufgaben übernehmen. Wie beispielsweise die alten Zedern schlagen und
zu Holzkohle verkokeln. Dann jagen wir dieses Gesocks
zum Teufel.« Nach einem letzten angeekelten Blick auf den
Kadaver gab er Charger die Sporen und galoppierte davon.
Wat Duncan schlug erneut zu - und dieses Mal blitzschnell, brutal und blutig. Damit signalisierte er den Locketts und den Mendez`, dass man sich ihn und seine Bande
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