Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
deine Wachhunde nicht zu
Hause waren.« Er trat einen Schritt auf sie zu.
Als sie entschlossen das Schüreisen schwenkte, blieb er
stehen. »Ich hätte zwar nie geglaubt, dass ich zu einem
Mord fähig bin, William, aber ich bring dich um«, zischte
sie. »Du bist ein Heuchler und als Mann eine Witzfigur.
Und jetzt verschwinde. Aber schleunigst!«
Ein verächtliches Schnauben entfuhr ihm. »Ich werde
nicht aufgeben. Vermutlich hast du Lockett sowieso schon
das Beste hergeschenkt.« Nachdem er ihr das an den Kopf
geschleudert hatte, stürmte er an ihr vorbei in die Halle,
schnappte sich Hut und Mantel. Die Haustür klickte auf
und fiel leise ins Schloss. Sie ließ das Schüreisen sinken,
zumal ihr Arm von dem Gewicht schmerzte.
Wie in Trance schlüpfte sie in ihr Zimmer und schloss
hinter sich ab. Betrachtete mit Bestürzung ihr Gesicht im
Ankleidespiegel.
Williams Speichel schimmerte feucht auf ihrem Kinn. Die
Haare hingen ihr zerwühlt um die Schultern.
Sie zog sich aus, ließ Wasser in die tiefe Wanne ein. Spülte
sich mehrfach den Mund mit Gurgellösung aus und stieg
dann in das dampfend heiße Bad, wie um sich von seinen
Demütigungen reinzuwaschen. Von seiner Umklammerung
waren schmerzhafte blaue Flecken auf ihren Oberarmen zurückgeblieben. Lauren schüttelte sich.
Am nächsten Morgen wachte sie niedergeschlagen auf.
Sollte sie den arglosen Prathers erzählen, was vorgefallen
war? Sie wären bestimmt schockiert über das frevelhafte
Verhalten des jungen Pastors. Er würde seine Stelle verlieren, und Abel würde ihm das Haus verbieten. Lauren hätte
ihren Pflegeeltern diese Enthüllungen gern erspart, andererseits mochte sie nicht schweigen. William Keller machte
ihr Angst.
Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass die Prathers ihr
nicht glauben könnten.
Als sie heimkehrten, begrüßte das Mädchen die beiden
mit der gewohnten Herzlichkeit. Sybils ungebremster Erzähldrang lenkte sie zunächst von ihrem Gewissenskonflikt
ab. Die Prathers hatten ihr ein Paar Spitzenhandschuhe
mitgebracht, und sie bedankte sich überschwänglich.
Sobald sie im Salon saßen, läutete es. Abel ging zur Tür,
und Lauren war perplex, als sie plötzlich Williams Stimme
hörte. Eine kurze Weile später stand ihr Pflegevater wieder
auf der Schwelle. »Bitte entschuldigt uns kurz, William hat
etwas Dringendes mit mir zu besprechen.«
Lauren befiel eine dunkle Ahnung, als er in Richtung Arbeitszimmer verschwand. Erkennbar nervös und abwesend
lauschte sie Sybils ausschweifender Schilderung. Und blickte zwischendurch verstohlen zur Uhr - Abels Unterredung
dauerte schon eine geschlagene halbe Stunde! Angespannt
nagte sie an ihren papiertrockenen Lippen.
Ihr Herz machte einen Satz, als die beiden Männer erneut
den Salon betraten. Abels Gesicht war alarmierend rot angelaufen. Er sah zu Lauren herüber und schüttelte ungläubig
den Kopf. William blieb ein, zwei Schritte hinter ihm stehen.
Er wirkte zerknirscht, indes gewahrte die junge Frau das
triumphierende Glitzern in seinen Reptilienaugen.
»Abel, was ...« Sybil verschlug es die Sprache, als sie ihren
aufgebrachten Gatten sah.
»Meine Liebe, ich wünschte, ich könnte dich davor verschonen, aber früher oder später würdest du es ohnehin erfahren.«
Abel setzte sich neben seine Frau und fasste ihre Hand.
William blieb im Türrahmen stehen, sein Blick devot auf
den hässlichen Teppich gesenkt.
Hatte William etwa sein beschämendes Verhalten eingeräumt und sich bei Abel entschuldigt? Leider Fehlanzeige.
Abel bedachte sie mit einem kritisch-strafenden Blick.
Seufzend hob er an: »Unzucht ist eine Todsünde, meine
Tochter.« Lauren blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Sybil japste unwillkürlich auf und presste ein Taschentuch an ihre Lippen.
»Was ...«, stammelte das Mädchen, aber Abel fiel ihr ins
Wort.
»Es ist eine Abscheulichkeit vor dem Herrn. William war
immerhin Manns genug, mir zu gestehen, dass ihr seit einigen Monaten eurer Lust gefrönt habt.« Sybil sank gegen das
Rückenpolster und schluchzte trocken. Lauren öffnete den
Mund, um zu protestieren, doch Abel winkte ab.
»Die Triebe des Mannes sind stärker als die der Frau.
Selbst ein Gottesmann wie William ist nicht immun gegen
die Verlockungen des Fleisches. Allerdings«, fuhr er mit gestrenger Stimme fort, »ist es Sache der Frau, ebendiese Verlockungen mit eiserner Hand zu zügeln. William gestand
mir, dass du ihn an den Punkt brachtest, wo er schwach
wurde.«
Sybil weinte
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