Brown Sandra
reichte, aus dem Gesicht zu streichen. Als er den Helm wieder zurechtrückte, drehte er den Kopf und schaute hinüber zum Hotel. Er sah direkt auf ihr Fenster, als hätte er ihren Blick gespürt. Ihr lief ein Schauer über den Rücken.
Schuldbewußt setzte sie das Fernglas ab und sprang vom Fenster zurück, obwohl sie wußte, daß die Scheibe von außen verspiegelt war. Er konnte sie unmöglich gesehen haben, und dennoch fühlte sie sich ertappt. Der Blick, den sie hinter dieser dunklen Sonnenbrille spürte, war genauso intensiv wie seine gesamte Erscheinung. Er war kein Mann, der sich gern ausspionieren ließ.
Jades Handflächen waren feucht. Sie wischte sie am Rock ab. Sie fühlte sich flau. Rasch goß sie sich ein Glas Wasser ein und leerte es in einem Zug. Sie wußte nicht, was über sie gekommen war. Seit Jahren hatte sie die Menschen nur geschlechtslos gesehen. Ihr Versuch, eine Beziehung zu Hank aufzubauen, hatte für sie beide mit Kummer geendet. Auch professionelle Hilfe von kompetenter Seite war ohne Erfolg geblieben.
Nach mehreren Monaten Therapie hatte ihr ihre Psychologin geraten: »Wir wissen jetzt um die Gründe für Ihr Verhalten. Wie Sie damit umgehen, liegt an Ihnen. Wenn Sie einen Heilungsprozeß wollen, Miss Sperry, müssen Sie selber daran mitwirken.«
Jades ehrliche Antwort hatte gelautet: »Ich kann nicht. Ich habe es einmal versucht, und dabei habe ich einen Menschen verletzt, der mir sehr viel bedeutet.«
»So leid es mir tut, dann glaube ich, daß wir in eine Sackgasse gelaufen sind. Sie müssen den Mut aufbringen, eine sexuelle Beziehung einzugehen.«
Es fehlte Jade nicht an Mut, sondern eher an Egoismus, es noch einmal zu riskieren, einem Menschen das Herz zu brechen. Und weil es keine Garantie auf »Heilung« für sie gab, weigerte sie sich, es auf Kosten eines anderen zu versuchen. Deshalb verblüffte sie ihre physische Reaktion auf den Mann dort drüben sosehr. Sie setzte sich an den kleinen Schreibtisch und machte eine Eintragung in ihr Notizbuch. Sie wurde von etwas weit stärkerem als sexuellem Verlangen angetrieben. Sie war der Möglichkeit beraubt, jemals einen Mann von ganzem Herzen zu lieben, deshalb war sie besessener denn je, endlich Genugtuung zu erfahren. Niemand Ungerechtigkeit leben verantwortlich waren. Und nach all den Jahren stand sie kurz vor ihrem Ziel.
in Palmetto sollte weiter mit der müssen, für die die Patchetts
Die Tage in L.A. waren sinnvoll genutzt worden. Nach drei Tagen der Analyse war sie überzeugt, daß Dave Seffrin die richtigen Vertragspartner für TexTile gefunden hatte. Und morgen würde sie hinter ihrem Fernglas hervorkommen und sich vorstellen.
***
Jade stand vor dem Spiegel an der Tür ihres Hotelzimmers und musterte sich kritisch. Vor zwei Jahren hatte sie die Dreißig überschritten. Die Zeit war gnädig zu ihr gewesen. Sie war schlank, ohne weibliche Rundungen vermissen zu lassen. Ihre Wangen waren rosig, das Haar war glänzend und schwarz, ohne eine Spur von Grau. Und ihre Augen, noch immer strahlend blau, waren nach wie vor das Bemerkenswerteste an ihr.
Sie trug am liebsten Schwarz, wenn auch nicht immer. Das zweiteilige Kostüm, das sie sich für heute zurechtgelegt hatte, war schwarz, aber aus einem leichten Stoff.
Auf ihrem Weg durch das Hotel ließ Jade die Jahre Revue passieren. Den Job in Charlotte, North Carolina, hatte sie nur so lange gemacht, bis sie ein besseres Angebot aus Birmingham, Alabama, erhielt. Dort war sie für den Einkauf zuständig gewesen, in einer Position im mittleren Management. Danach folgte eine Reihe unterschiedlicher Jobs, wobei sie immer im Bereich Textilien und Bekleidungsherstellung blieb. Die Kenntnisse, die sie bei Miss Dorothy erworben hatte, bildeten ihre Grundlage.
Mehrere Male zog sie mit Graham und Cathy, die jetzt zur Familie gehörte, um. Jade spürte intuitiv, wann sie in ihrer jeweiligen Stellung genug gelernt hatte und wann es an der Zeit war, sich zu verbessern. Jedesmal bedauerten ihre Arbeitgeber ihren Weggang. Die einzige Ausnahme bildete ein Chef, dem sie mit einer Klage wegen sexueller Belästigung drohen mußte. Weil er die Drohung nicht ernst nahm, kündigte sie nach sechs Monaten.
Ihre Erfahrungen machten sich bezahlt. Auf ihrem langen Weg lernte sie alle technischen Aspekte des Geschäftes kennen, und sie lernte, Marketing-Strategien zu entwickeln und eine Maximierung der Produktionseffektivität zu erzielen. Doch ihr endgültiges Ziel ging über den engen Rahmen dieser kleinen
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